Samstag, 10. Dezember 2011

TH-Wonderland Adventskalender Tür 10

Wenn Lebkuchenherzen flüstern...


...ist der Titel der zweiten Weihnachts-FF von seifenblase und Mandy. Für alle Slash-Fan Herzen bedeutet das eine wahre Erfüllung, aber lest selbst...


Wenn Lebkuchenherzen flüstern Teil I




Titel: Wenn Lebkuchenherzen flüstern …
Rating: P12
Genre: Lovestory / Weihnachten
Hauptpersonen: Bill, Tom
Zusammenfassung: Weihnachten, ein Fest, das Bill über alles liebt, obgleich es ihm unweigerlich und schmerzhaft vor Augen führt, dass er doch ziemlich allein ist. Auch Tom, der momentan tagein, tagaus auf dem Weihnachtsmarkt arbeitet, mangelt es eindeutig an Gesellschaft. Bis sie aufeinandertreffen.

Teil I 
08.12.2012

Fröstelnd zitterte Bill kurz auf, als eine kalte Schneeflocke zu ihm herüber wehte und auf seiner Nasenspitze schmolz. Unwirsch wischte er sie weg. Er hatte sich schon extra etwas untergestellt, aber dennoch blieb er nicht gänzlich von der eisigen, weißen Pracht verschont.

Melancholisch ließ er seinen Blick schweifen und seufzte auf. Wie glücklich sie alle waren … Er wollte jetzt nicht rumjammern oder so, es ging gewiss vielen Menschen schlechter als ihm und so mancher Schein trog, sodass man nicht sagen konnte, dass wirklich all diese Leute glücklich waren, aber … Ihm fehlte sie … Ihm fehlte eben diese Geborgenheit, diese liebevolle Zweisamkeit, die beinah all diese Menschen hier auf dem Weihnachtsmarkt ausstrahlten. Er war nun mal ein Mensch und hätte es auch einfach gern gehabt, die Weihnachtszeit mit jemandem genießen zu können. Stattdessen stand er Tag für Tag von morgens bis abends an ein und demselben Glühwein- und Süßigkeitenstand und hielt sich die 12 Stunden, die der Markt geöffnet hatte, an einem Glühwein auf. Morgens zum Aufwärmen und abends … Nein, eigentlich nur morgens zum Aufwärmen und den Rest des Tages, um den vorbeigehenden Leuten keinen falschen Eindruck zu machen. Wie sah es denn aus, wenn er an dem Tisch stand, und nur vor sich hin starrte, ohne etwas in der Hand, ohne etwas gekauft zu haben? Außerdem käme es sicher nicht gut bei den Budenbesitzern oder Arbeiter an. Soweit er wusste, konnten sie ihn dann verjagen und das wollte er nicht. Hier war es wenigstes minimal wärmer als es normal draußen war. Klar hätte er auch in seine Wohnung gekonnt, aber so sparte er sich immerhin Heizkosten und war nicht so alleine. Okay, die Leute hier kannte er nicht, aber seiner Illusion vom 'nicht alleine sein' tat es gut.

Zudem bot es eine Beschäftigung. Vielleicht war es nicht gerade weise, seine Probleme zu ignorieren und sich selbst vorzutäuschen, dass alles gar nicht so schlimm war, doch bisweilen war es das Einzige, was Kraft spendete. Den ganzen Tag nur an seine Sorgen zu denken half nicht, im Gegenteil: Es machte viel eher depressiv. Gut, vielleicht war er davon gar nicht so weit entfernt. Doch noch hatte er die Schwelle dorthin nicht überschritten und war Selbsterkenntnis nicht ein erster Schritt zur Besserung?

Vielleicht war es undankbar, wenn er unglücklich war, da er keinen Job hatte. Schließlich reichte das, was er bekam, zum Überleben. Für eine Wohnung. Andere hatten so viel weniger. Und dennoch: Er konnte nicht anders. Er hasste das Alleinsein, er hasste es, nichts zu tun zu haben, nutzlos zu sein, nur rumzusitzen. Weswegen er dann auf den Weihnachtsmarkt ging, statt um einen Job zu kämpfen? Diese Frage zu beantworten, vermochte er nicht, vielleicht lag es daran, dass er einfach mal eine Pause brauchte. Einen Lichtblick, etwas, das ihn aufheiterte. Denn er liebte Weihnachten. Dieses Fest erinnerte ihn an die guten Zeiten, als er noch ein kleines Kind gewesen war, keine Sorgen gehabt hatte. Was gäbe er nicht alles dafür, die Zeit zurückzudrehen.

Erneut begann er zu zittern. Er zog seine Jacke enger um sich und klammerte sich noch fester an den Becher mit dem Glühwein. Was seine Mitmenschen von ihm dachten, wollte er gar nicht wissen. War besser so. Denn was brächte es ihm? Außer noch mehr Niedergeschlagenheit, weil die Meinungen der anderen ihm etwas bestätigten, das er nicht wahrhaben wollte?

Langsam, unauffällig, warf er einen schüchternen Blick zu dem Mann, der das Getränk, an welchem er bereits seit Stunden immer mal wieder nippte, verkaufte. In gewisser Weise war er ihm dankbar, schließlich war er kein wirklicher Kunde mehr, nahm potentiellen Gästen den Platz weg und sollte somit eigentlich vertrieben werden. Doch bisher war nichts geschehen.

Vielleicht war das Recht auf Bills Seite, vielleicht aber auch einfach nur die Gutmütigkeit des jungen Mannes, der zusammen mit einer jungen Frau und mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, einen älteren Herrn bediente.

Seufzend schüttelte der 21 Jährige seinen Kopf. Ein weiterer Punkt für ihn, um deprimiert zu sein. Bestimmt war der Kerl mit der hübschen Frau zusammen und konnte sogar, ausgerechnet auch noch zur Weihnachtszeit, mit seiner Freundin arbeiten. Und Bill? … War Single und zu allem Überfluss auch noch schwul. Als sei es so schon nicht schwer genug einen Partner zu finden, begrenzte er sich diesen Raum auch noch. Wie sollte er denn einen potentiellen Freund kennenlernen, wenn er schwul war und sich nicht einmal den Eintritt für Clubs leisten konnte, er ab und zu mal auf Partnersuche gehen konnte? Okay, so arm war er nun auch nicht, dass er nicht wenigstens einmal im Monat in eine Schwulendisko oder Bar gehen konnte, aber dennoch … Er wollte nicht 'sinnlos' sein Geld dafür ausgeben, zumal er sich auch nicht getraut hätte einen Fremden oder zumindest fast Fremden in seine Bruchbude zu nehmen. Und irgendwo anders …?

Vielleicht stand er sich ein Stück weit auch selbst im Weg, traute sich zu wenig, ging nicht aus sich heraus und versuchte nichts, außer Jobs suchen, aber selbst das hatte er 'pausiert', jetzt, wo die schönste Zeit des Jahres anstand. Er wollte sich nicht auch noch von Absagen Weihnachten versauen lassen. Noch mehr versauen lassen, besser gesagt.

„Hey …“, erklang es auf einmal neben dem 21 Jährigen und riss diesen aus seinen Gedanken. Verwirrt sah er von seinem Glühwein auf, auf den er die ganze Zeit gedankenverloren gestarrt hatte.
Er sah in ein Paar braune Augen, die einem sofort das Herz erwärmten, wenn man in sie sah. Das weiche Braun drückte eine derartige Geborgenheit aus, dass Bill sich wünschte, diesen Mann zu kennen und sich an ihn lehnen und kuscheln zu können.

„Hm?“, brummte er nur leise und starrte wieder auf die dunkelrote Brühe vor sich. Er wollte den Kerl nicht weiter ansehen, weil er genau wusste, dass nur wieder Neid und Sehnsucht seinen Verstand heimsuchen würden.

„Also … Ich möchte nicht unhöflich sein, aber das ist nicht das erste Mal dass du … Sie, hier stehen und den ganzen Tag an einem Glühwein trinken. Entweder kaufen Sie noch etwas oder ich muss Sie leider darum bitten, wieder zu gehen und für andere Kunden Platz zu machen.“

Das Herz des 21 Jährigen zog sich schmerzhaft zusammen, als er die Worte hörte, die er schon seit Tagen erwartete, aber gehofft hatte nie zu hören.

Mit einem schiefen Lächeln griff er sich in die Jackentasche, um gezwungenermaßen noch einen Glühwein zu bezahlen. Eigentlich hatte er nicht das Geld dafür, 'sinnlos' zwei Glühweine an einem Tag zu kaufen, aber er wollte jetzt nicht von hier weg.

Suchend tastete er seine Jackentasche ab, wurde dabei immer hektischer, bis er schon nach relativ kurzer Zeit resignierte.

„Da muss ich wohl gehen.“, lächelte er abermals, nur dieses Mal mit einem reumütigen, traurigen Ausdruck, sodass selbst ein Blinder sah, dass es kein fröhliches, aufheiterndes Lächeln war.

„Danke für Ihre Geduld mit mir, ich … geh dann mal.“

Hastig nahm er noch den letzten Schluck aus der Tasse und reichte sie dann dem Standmitarbeiter, ehe er sich umdrehte und langsam davonschlich.

„Hey, warte!“

Beinahe erschrocken und dennoch über alle Maßen erleichtert, drehte Bill sich um. Niemals hätte er zu hoffen gewagt, auf so etwas wie Güte zu stoßen. Gut, es war Weihnachten, da waren wesentlich mehr Leute bereit, Gutes zu tun, dennoch war ein Großteil solchen Dingen gegenüber eher abgeneigt. Klar, die meisten hatten genug eigene Probleme und das verstand er auch. So gern er es täte, träfe er auf einen Bettler, so könnte er ihm keinen müden Cent geben.

„Meinetwegen bleib ruhig noch. Ist nur…“, Bills Gegenüber schien leicht verlegen, pausierte kurz, ehe er fortfuhr: „… naja, ist nicht meine Idee, wir haben nur eben alle die Anweisung gekriegt, Leute, die nichts kaufen, nach einer gewissen Zeit wegzuschicken. Nix gegen dich. Mir kommt’s nur irgendwie… ich weiß nicht, mir kommt’s einfach falsch vor. Schließlich ist bald Weihnachten und da sollte es nicht so stark ums Geschäft gehen. Naja, egal. Kannst jedenfalls ruhig bleiben. Nicht nur, weil eh nicht mehr viel los ist.“

Bills Lippen verzogen sich zu einem glücklichen Lächeln. Aufrichtig dankbar war er. „Ich… ich würd’s auch echt verstehen. Ist nicht meine Absicht, potentielle Kunden zu vergraulen, also… ich kann auch gehen.“

„Ich hab gesagt, du kannst bleiben, wenn ich wollte, dass du gehst, dann hätte ich das wohl kaum getan, oder?“
Nachvollziehbar, dieses Argument, befand Bill. „Auch wieder wahr.“

„Darf ich fragen, weswegen du den ganzen Tag über hier bist, oder… trete ich dir damit zu nahe? Du ist doch okay, hoffe ich?“, erkundigte sich der Verkäufer.

Bill kicherte. Gut, der Grund für seine stundenlangen Aufenthalte vor diesem Stand war alles andere als lustig, doch… er wusste es ja auch nicht. „Nee, ist nix falsch dran. Hab kein Problem damit, geduzt zu werden. Und warum ich hier bin… naja, ich liebe die Weihnachtszeit. Da ist es ziemlich naheliegend, herzukommen. Außerdem ist’s sehr viel besser, als nur zuhause rumzuhocken. Fühlt sich nicht allzu weihnachtlich an.“

„Also ich wär froh, wenn ich nicht den ganzen Tag hier draußen in meinem Stand sitzen müsste. Glaub mir, das ist nicht bloß langweilig, sondern auch verdammt kalt. Irgendwann fängt man an, die Kunden zu beneiden, weil die ins Warme können, während man selbst noch stundenlang an Ort und Stelle ausharren muss. Freiwillig würd ich mir das nicht antun. Kannst mich übrigens Tom nennen.“

„Bill.“

Der junge Mann, der sich ihm als Tom vorgestellt hatte, freute sich über die Abwechslung, welch das Gespräch mit seinem Gegenüber bot. Nicht allzu oft geschah es, dass er sich während der Arbeit ausführlich mit jemandem unterhalten.

Sabrina, die Mitarbeiterin, die mit ihm zusammen den Stand schmiss war nicht … Ach, wie sollte er sagen … Sie war irgendwie etwas zu tussig, nicht so ganz sein Niveau, auch wenn sich das jetzt gewiss etwas hochnäsig anhörte. Klar war sie nett, aber über mehr als Nagellack oder dergleichen konnte man wohl kein sinnvolles Gespräch mit ihr anfangen.

Der Stand selbst gehörte nicht dem jungen Mann, sondern seinem Vater, für den er hier auf dem Weihnachtsmarkt arbeitete, damit dieser seinen eigentlichen Laden nicht in der Zeit schließen musste.

„Komm mal mit.“, lockte der Hopper seinen Kunden, der zwar nie mehr als einen Glühwein am Tag kaufte, aber … das war schon okay.

Verwirrt folgte Bill dem jungen Mann an den Tresen, wohinter Tom wieder verschwand.

Kurz fummelte er irgendetwas an einer Maschine herum und wandte sie dann wieder seinem Gast zu.

„Hier, die Stunde die der Markt noch offen ist, sollst du nicht auf dem Trockenen sitzen! Geht auf mich!“

Mit großen Augen sah Bill sein Gegenüber an. Was war das denn für ein Freak? Okay, Freak war vielleicht etwas beleidigend, aber heutzutage konnte man es doch nicht mehr anders nennen, wenn jemand Fremdes einem einfach mal so… so nett gesonnen war, oder?

„D … Danke …“, strahlte der 21 Jährige und nahm beschämt und erfreut zugleich die Tasse an. Sah er schon so hilfsbedürftig aus? Nein, so wie dieser Tom guckte, war er wirklich einfach nur freundlich …

Kaum hielt Bill die Tasse in den Händen, kam der junge Mann wieder um den Tresen herum, beziehungsweise aus der Bude heraus und stellte sie zu Bill, der die Süßigkeiten- und Glühweinbude nun mal genauer unter die Lupe nahm. Sie war wirklich eine der größten Buden hier und befand sich an einer ‚Kreuzung‘, was hieß, dass sie an zwei Wegen entlang ging und somit wie ein L geformt war. Also keine kleine magere Hütte wie diese Häkelbuden oder was es nicht alles gab.

„Gern geschehen.“, meinte der Verkäufer und lehnte sich mit dem Rücken an seinen Stand.

Bill fühlte sich, als wäre er ihm etwas schuldig. Als müsste er ihm jetzt zum Dank irgendetwas erzählen, ihm helfen oder sonstwas. Und dieses Gefühl konnte er absolut nicht ausstehen. Woran es lag, wusste er nicht, vor allem, da sein Gegenüber es wohl nur gut meinte, nur an Weihnachten gedacht hatte und nichts weiter von ihm erwartete. Es hätte ihm doch genügt, wenn er ihn hätte bleiben lassen. Dass er ihm einen Glühwein spendiert hatte, war Bill regelrecht unangenehm. Jemandem zur Last zu fallen, das war nicht seine Absicht. Ebenso unwohl fühlte er sich bei dem Gedanken, bemitleidet zu werden.
Dennoch konnte er auch nicht ablehnen. Er wollte Tom nicht vor den Kopf stoßen, der nicht wirkte, als hätte er irgendeinen derartigen Hintergedanken gehabt.

Aus dem Augenwinkel betrachtete Bill den großzügigen Mann näher. Wo sich ihm mal die Chance bot, ihn aus größerer Nähe zu betrachten, wollte er sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Allerdings musste er sich in Acht nehmen, wenn er erwischt wurde… nun, das wollte er sich gar nicht erst vorstellen.

Schlank war er, doch nicht zu dünn, sondern recht muskulös. Seine Hände wirkten gepflegt, das war etwas, worauf er Wert legte. Die schwarzen Haare trug er zu Cornrows geflochten. Normalerweise konnte Bill solche Frisuren nicht ausstehen, das sah einfach zumeist nicht gut aus, doch… nun ja, es handelte sich vermutlich um nichts weiter als Symptome dummer Schwärmerei, doch an ihm gefielen sie ihm sogar. Es verlieh ihm so ein… gewisses Etwas.

Wenn er weiter solche Dinge dachte, würde er noch rot anlaufen. Gar nicht gut. Er musste sich auf etwas anderes konzentrieren, sich ablenken. Nur wie? Ihm fiel beim besten Willen nichts anderes ein als sein Glühwein. Diesen betrachtete er nun, als wäre es das Interessanteste, das er in seinem Leben je gesehen hatte. Mein Gott, was mochte sein Gegenüber wohl von ihm denken?

Aber Tom schien es nicht viel anders zu gehen. Er schien ebenfalls nicht zu wissen, was er sagen oder machen wollte. Er tat sich eher darin sehr beschäftigt, die vorbeigehenden Leute zu beobachten. Um die Uhrzeit war nicht mehr viel los, die meisten Kinder saßen wohl zu Hause am Tisch und aßen ihr
Abendbrot oder lagen schon im Bett, bekamen vielleicht Geschichten von ihren
Eltern erzählt oder vorgelesen.

„Ganz schön kalt geworden, hm?“, murmelte der Hopper, blickte Bill aber nicht an. Dennoch konnte er dessen verhaltenes Nicken im Augenwinkel erkennen.

„Und auch schon spät. Eigentlich ärgerlich um die Jahreszeit, jeden Tag so lange arbeiten zu müssen, aber mein Vater muss selbst seinen Laden schmeißen, weswegen ich mir den ganzen Tag die Beine in den Bauch stehe!“, lachte der junge Mann. „Immerhin ist es ein schönes 'Taschengeld'. Hier bekomme ich mehr als bei ihm im Laden. Für Weihnachten ist das ganz cool, dann fallen die
Geschenke nicht so karg aus!“

Ein deprimiertes Lächeln huschte Bill über die Lippen. Ja ... schön für ihn ... Er selbst brauchte kein Zusatzgeld für Weihnachten, da er eh niemanden hatte, den er beschenken konnte oder wollte. Klar hatte er Freunde und Familie, aber ... Denen schenkte er nichts. Die hatten selbst zu Weihnachten anderes im Kopf als mit ihm zu feiern oder ihm Geschenke zu machen. Wobei es bei seiner Familie
eher daran lag, dass sie zerstritten waren. Sie hatten kein Verständnis dafür, dass ein junger Mann wie er es war, keinen Job hatte. Die Leute waren aus ihrer Sicht asozial, wenn sie keinen Job hatten. Also auch Bill ... Dass er in der 8ten Klasse die Schule abgebrochen hatte, weil er damals viel Ärger dort gehabt hatte, sahen sie da nicht als Grund an, dass man keinen Job bekam. Damals hatten sie aber auch nicht hinter ihm gestanden, ihm geholfen oder nach Alternativen gesucht, die seine Zukunft stärkten. Nein, sie waren immer mit sich selbst beschäftigt, arbeiteten schon damals lieber, als dass sie sich um ihren Sohn kümmerten, der wegen seiner sexuellen Orientierung in der Schule gemobbt wurde. Von Beschimpfungen über Schläge bis zu Diebstahl seiner Sachen, war alles dabei.  

„Hab ich was Falsches gesagt?“, fragte der Verkäufer verwirrt, als er sah, wie in sich gekehrt sein Gast dastand und kein Wort sagte. Erschrocken blickte Bill auf und schüttelte den Kopf.

„Nein nein, alles okay. Aber ich glaube, ich werde jetzt mal los machen. Ist spät und so langsam friert es mich hier auch. Ich sollte morgen wohl eine dickere Jacke anziehen ... Naja, wir ... sehen uns dann bestimmt wieder ... Und danke für den Glühwein!"

Mit hastigen Schlucken trank der 21 Jährige den Rest seines Glühweins aus, reichte die Tasse seinem Gegenüber und verschwand dann eilig zwischen den Leuten.



9.12.2011

Als der nächste Abend anbrach, war Bill sich nicht sicher, wie er sich jetzt verhalten sollte. Hingehen, nicht hingehen? Hingehen und sich woanders einen Platz suchen? Das wäre feige. Und was, wenn er durch Zufall von Tom entdeckt würde? Das wäre auch peinlich. Und… was hatte er ihm denn getan? Nichts. Eben. Es wäre nicht fair von ihm, sich gegenüber jemandem, der so nett zu ihm gewesen war, so undankbar zu verhalten. Er würde hingehen. Schließlich war er kein Feigling.

Nichtsdestotrotz ein wenig aufgeregt schlüpfte er in seine Schuhe, zog sich seine Jacke an. Ebenso die Handschuhe und eine Mütze. In gewisser Weise war er mittlerweile sogar von Vorfreude erfüllt, was er gar nicht so richtig verstand. Vermutlich war es einfach dadurch begründet, dass er es vermisste, mit jemandem zu reden, der ihm gegenüber zumindest weitestgehend unvoreingenommen war.

Langsam stieg er die Stufen in Richtung Erdgeschoss hinunter. Nein, schön war dieses Haus, diese Gegend definitiv nicht. Doch man gewöhnte sich an alles. Und außerdem könnte es wesentlich schlimmer sein. So oft war er ja auch momentan gar nicht hier.

Draußen, in der Winterkälte, beeilte er sich dann wesentlich mehr. Als er endlich aus seinem Viertel herauskam, konnte er seinen Blick kaum von den zahlreichen, beleuchteten Schaufenstern abwenden. Jetzt, im Dunkeln, wirkten sie noch wesentlich faszinierender als bei Tage. Er liebte diese Dekoration, so wie er Weihnachten im Allgemeinen liebte.

Wenn er doch nur… diesen Gedanken dachte er nicht zu Ende. Wenn er das täte, würde er nur in Selbstmitleid versinken. Nützlich war das nicht. Er beschleunigte seine Schritte erneut, um auch ja keinen weiteren Blick auf die Waren zu werfen, die in den Kaufhäusern angeboten wurde. Ohnehin konnte er sie sich nicht leisten, was würde es ihm dann helfen, zu wissen, was er gern hätte und sich nicht leisten konnte?

Allmählich kam der Weihnachtsmarkt in Sicht, Bill verspürte Erleichterung. Die heile Welt, nach welcher er sich so sehr sehnte, hier schien sie ihm am nächsten.

Kaum hatte der 21 Jährige den Markt betreten, kämpfte er sich durch die Menschenmassen und steuerte auf den Stand zu, wo Tom arbeitete.

Okay, kämpfen ... Nein, wenn er zugab, wäre er am liebsten stehen geblieben und hätte die Menschenmasse genossen. Er fühlte sich hier wohl, schien beinah von der Stimmung der anderen angesteckt zu werden und spürte die Anwesenheit der Leute. Außerdem war es hier nicht so still wie bei ihm zu Hause. Er hatte hier die Gewissheit, dass es wirklich Menschen waren, die sich in seiner Nähe befanden, und nicht nur die Flimmerkiste vor sich hinplapperte und irgendwelche Sendungen zeigte.

Kurz hielt der fröstelnde Junge inne, als der große Stand in sein Blickfeld kam. Den Bruchteil einer Sekunde dachte er darüber nach, wieder umzudrehen und sich doch eine andere Glühweinbude zu suchen, aber ... als er Tom sah ... als er sah, wie dieser mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen einem alten Mann irgendetwas erzählte und dann lachte ... da konnte er einfach nicht umdrehen. Diese warmen, braunen Augen zogen ihn regelrecht an und ließen ihn sich fühlen, als würde er bei jemandem in den Armen liegen. Pure Liebenswürdigkeit strahlten sie aus.

Wie ferngesteuert ging Bill also weiter und kam letztendlich vor dem hölzernen Tresen zum Stehen.

Als Tom ihn entdeckte, lüpfte er erstaunt die Augenbrauen und fing an, breit zu grinsen. Der Mann, mit dem er sich gerade eben noch unterhalten hatte, war schon von dannen gezogen, weshalb der Hopper sofort Zeit für seinen jungen Gast hatte.

„Hey! Ich dachte schon, du kommst heute gar nicht mehr! Du bist doch sonst immer so früh da. Hab ich dich gestern so verschreckt?!“

Ein wenig ertappt fühlte Bill sich schon, doch das durfte er sich nicht anmerken lassen, beschloss er. Ungünstig war es, dass er sich fühlte, als wäre er leicht rosa angelaufen. Gar nicht gut, da dieses Gefühl seine Scham nur noch verstärkte. Ein Teufelskreis.

Dennoch wiegelte er ab: „Nee. Womit solltest du das denn getan haben? Hatte einfach nur zu tun.“.

„Hab mir fast Sorgen gemacht.“, Tom grinste ihn frech an. Nein, er ahnte nichts. Konnte er gar nicht. Bills Herz tat einen kleinen Sprung, als ihm aufging, was er da gerade gehört hatte. Nicht, dass er verliebt war, doch es gefiel ihm, dass es jemanden gab, der wenigstens einmal kurz an ihn gedacht hatte. Der ihn ganz sympathisch zu finden schien.

„Das Übliche?“, erkundigte sich der Hopper nun, da Bill nicht weiter auf seine Äußerung eingegangen war. Ihm war schlicht nicht klar gewesen, was er darauf hätte erwidern können. Nicht, dass er irgendetwas Falsches sagte.

Auf diese Frage hin nickte er. Nicht nur war er durstig, auch könnte er etwas vertragen, das ihn innerlich aufwärmte. Während Tom also beschäftigt war, sah sich Bill um. Nur wenige Menschen waren in Sicht, obwohl dieser Stand strategisch günstig lag. Wenn keine Kunden kamen, würde das bedeuten, dass sie sich unterhalten könnten. Diese Aussicht gefiel ihm. Zwar kannte er Tom noch nicht allzu gut, doch er mochte ihn. Mit ihm konnte man ein vernünftiges Gespräch führen, eine Seltenheit. Endlich mal jemand, der nichts von ihm erwartete. Jemand, der ihm gegenüber vollkommen unvoreingenommen war.

Vielleicht würden sie sich ja anfreunden können? Es würde Bill freuen... 
Zitat des Tages

„Tom! Ich liebe dich!“ 
Humanoid Album Booklet, 
Danksagung Tom 


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