Samstag, 17. Dezember 2011

TH-Wonderland Adventskalender Tür 16

Wenn Lebkuchenherzen flüstern...


...geht weiter. Das Ende von Teil 2 ließ Großes erwarten. Nur zu..


Wenn Lebkuchenherzen flüstern Teil III





Titel: Wenn Lebkuchenherzen flüstern …
Rating: P12
Genre: Lovestory / Weihnachten
Hauptpersonen: Bill, Tom
Zusammenfassung: Weihnachten, ein Fest, das Bill über alles liebt, obgleich es ihm unweigerlich und schmerzhaft vor Augen führt, dass er doch ziemlich allein ist. Auch Tom, der momentan tagein, tagaus auf dem Weihnachtsmarkt arbeitet, mangelt es eindeutig an Gesellschaft. Bis sie aufeinandertreffen.



  • HIER Teil I lesen

  • HIER Teil II lesen


  • Teil III

       

    Leise seufzte Bill auf und entspannte sich zusehends. Auch wenn er bisher nicht mitgemacht hatte, hatte Tom noch immer nicht aufgegeben. Und jetzt bekam er das, worauf er die ganze Zeit wartete und hoffte - Bill erwiderte. Zwar zaghaft und schüchtern, aber tat es.

    Tom fiel ein Stein vom Herzen. Am liebsten hätte er sein Gegenüber immer weiter geküsst, es richtig ausgekostet, vertieft. Aber zum einen war er hier am Stand zum Verkaufen – was er durch seine Füße zwar gerade nicht konnte, aber bei den Kunden kam es sicher nicht gut an, zum anderen wollte er Bill nicht gleich überfordern und es übertreiben.

    Also löste er sich sanft von dem 21 Jährigen, der ihn aufgeregt, schüchtern und unentschlossen zugleich, ansah.

    „Das hat es alle mal wieder gut gemacht!“ Lächelnd nahm der Hopper für einen Moment Bills Hand und drückte sie, ließ sie dann aber wieder los und sah auf seine Füße.

    „Richtig verbrannt ist das nicht, aber es tut trotzdem ein bisschen weh. Kannst du vielleicht ... zwei solche Gästehandtücher, wie sie dort drüben liegen, nass machen und mir bringen? Dann lege ich die über die Füße und dann ist nachher sicher alles wieder gut!“

    „Klar.“ Bills Wangen verfärbten sich vor Aufregung rosa. Er wusste nicht so recht, was er jetzt tun sollte, denn… er hatte es zweifelsohne genossen. Sehr sogar. Gut, was er von der ganzen Situation halten sollte, war ihm noch nicht ganz klar, sicher, er mochte Tom, aber… naja, erst die Zeit würde zeigen, ob sich daraus etwas Ernsthaftes, Dauerhaftes entwickeln konnte.

    In gewisser Weise schämte er sich. Er war nicht der Typ für wilde öffentliche Gefühlsbekundungen oder Gefühlsausbrüche. Er war kein Fan davon, wenn andere sich so verhielten, meist, da er dann nur Neid empfand, weil er allein war, deswegen hatte er sich vorgenommen, es anderen, den es wie ihm ging, nicht ebenfalls anzutun. Wenn man eines mit Sicherheit sagen konnte, dann, dass er sein Versprechen gebrochen hatte.

    Was man allerdings ebenfalls nicht unerwähnt lassen sollte, war, wie fantastisch Tom küsste. Noch immer spürte er dessen Mund auf seinen Lippen, fuhr sich verträumt mit dem Finger über die empfindliche Haut, was erstaunlicherweise noch immer ein Kribbeln auslöste.

    Nun ja, wie auch immer. Er schämte sich. Nicht dafür, Tom geküsst zu haben, beileibe nicht. Doch… empfand er Scham all denen gegenüber, die sie beobachtet hatten.

    „Glaubst du, du kannst laufen? Ich… ich mein… nicht, dass du… also nicht, dass du nicht mehr arbeiten kannst heute und dann Ärger bekommst, soll ich vielleicht… ich kann doch… soll ich aushelfen? Ich hab zwar nicht so viel Ahnung, aber ich könnte bestimmt beim Bedienen helfen.“

    Bill war besessen von dem Gedanken, Wiedergutmachung zu leisten. Zudem brächte es ihm einen Vorteil, wenn er Toms beiden Kollegen helfen würde, da dieser ausfiel. In Ruhe könnte er darüber nachdenken, wie er sich nun verhalten sollte. Ja, er wollte dem Ganzen eine Chance geben. Doch war ihm noch nicht klar, wie die aussehen sollte. Sollten sie einander besser kennenlernen und währenddessen das mit den Küssen bleibenlassen oder einfach damit weitermachen und sehen, wohin es sie führte?

    „Wenn du… wenn du magst, tu’s ruhig. Aber du musst nicht. Doch ich denke, Georg und Gustav würden sich freuen. Georg ist der mit den langen, braunen Haaren, Gustav der Kleine, Blonde. Sind beide total nett.“, erklärte Tom.

    Wehmütig sah er Bill nach, als dieser zum Stand eilte, um die Masse an Kunden, deren Ansturm merkwürdigerweise nicht oder so zumindest sehr schwach nachließ, zu bedienen.

    Er schien nicht begeistert von seiner Aktion eben zu sein ... Oder war er einfach nur verlegen?

    Ja, so wie er guckte ... schien Bill einfach nur verlegen zu sein!

    Aufgeregt klopfte Toms Herz in seiner Brust. Er verknallte sich wirklich immer mehr in diesen zuckersüßen Jungen, der ihm den Kopf verdrehte, das Annähern aber alles andere als leicht machte. Geschweige denn das Einschätzen, ob er überhaupt Interesse an ihm hatte.

    Aber bei dem Kuss eben hatte er sich immerhin nicht gewehrt und nach kurzer Zeit sogar richtig lockergelassen und war ihm entgegengekommen. Das konnte Tom wohl zurecht als ein gutes Zeichen deuten.

    Laut lachte Bill auf, als er einer Frau mit einem kleinen Kind an der Hand einen Glühwein reichte, das Kind sich durstig und bettelnd zu der gefüllten Tasse reckte.

    „Das ist nicht für dich, Sophie!", schimpfte die Mutter amüsiert und reichte Bill das Geld, was dieser Georg reichte.

    Innerhalb weniger Minuten hatte er tatsächlich die einfachsten Sachen drauf und war eine kleine Unterstützung für die G's. Und zu allem Überfluss schien es ihm auch noch tatsächlich Spaß zu machen.

    Ein wenig erleichtert und vor allem erfreut beobachtete Tom gespannt das Geschehen, bis es letztendlich etwas ruhiger wurde und Georg auf ihn zukam. Eine Tasse heiße Schokolade wurde vor ihm abgestellt. Und anstatt direkt wieder zu gehen, setzte Georg sich auf den anderen Stuhl, gegenüber von Tom.

    „Der Kleine gefällt dir, hm?“

    „NEIIIIIIN. Man, selbst mir ist klar, dass ich nicht grad subtil damit bin. Was fragst du also, wenn du’s schon weißt?“, Tom grinste seinen langjährigen Kumpel an, der sich nichts draus machte, wenn er ihn neckte.

    „Wollte es nur mal aus deinem Mund hören. Hätt ja auch sein können, dass du es leugnest. Weiß man ja nicht. Und dann hätt ich dich ärgern können. Das hätte definitiv Spaß gemacht.“

    Als Antwort knuffte der Hopper ihn in die Seite. „Du bist ja mal ein Kumpel. Aber nein, warum es leugnen? Du hast das doch grad gesehen. Damit sollte dir klar sein, dass ich längst die Kontrolle verloren hab und einfach nur noch ihn will. Ich… weiß ja auch nicht, was er mit mir gemacht hat. Er fasziniert mich total. Und wenn er sich ziert, weil er so schüchtern ist, dann will ich ihn nur noch mehr. Das… das ist ein richtiger Teufelskreis und ich mach mir langsam Sorgen um mich. Denn ich hab sowas einfach noch nie erlebt…“, erklärte er.

    Einen Moment lang dachte Georg, der gern psychologische Ratschläge gab, über das Gesagte nach, ehe er entgegnete: „Weiß ja nicht, ob du daran glaubst, aber… vielleicht ist Liebe auf den ersten Blick so. Das läuft doch eh nicht rational. Vielleicht ist er ja DER Richtige für dich. Das… das würd ich mir für dich echt wünschen, glaub mir. Wirkt jedenfalls total lieb. Aber eben sehr… ich weiß nicht, sehr unsicher?“

    „Ja, das hast du gut erkannt. Einerseits treibt mich das noch in den Wahnsinn, andererseits find ich’s wahnsinnig niedlich.“, gestand Tom.

    „Nur macht er es uns nicht gerade leicht damit. Er hat mir ja selbst gesagt, dass er sich immer wieder eventuelle Beziehung versaut hat, weil er die Kerle vergrault hat, weil er nicht zeigen kann, ob er Interesse hat oder nicht. Ich meine ... okay, er hatte den Kuss gerade erwidert, aber vielleicht hat er das auch nur gemacht, weil es ihm zu peinlich war, sich zu wehren? Ich hab echt keinen Plan. Ich glaube, ich kann ihn nur umgarnen wie so n Kater der ner rolligen Katze hinterherschleicht ey ... nee also ernsthaft, ich glaub ich kann nur warten und hoffen.“

    Seufzend nahm Tom einen Schluck von der heißen Schokolade, die sein Kumpel ihm gerade gebracht hatte. Es war wirklich eine kleine Zwickmühle, aber alles Grübeln half da wohl eh nichts. Also würde er es machen wie eben gesagt: Warten und hoffen! Und ihn ein bisschen umgarnen um sein Interesse stetig zu zeigen...

    „So, wollen wir dann langsam alles zusammenräumen? In 10 Minuten ist Feierabend!“, kam nun Gustav an. Erschrocken blickte Tom auf. Es war noch immer viel auf dem Weihnachtsmarkt los, und dass so rasch die Zeit vergangen war, hatte er nun wirklich nicht gedacht.

    Hastig sah er zu Bill, der gerade einem Mann eine Tüte mit Süßem reichte – wahrscheinlich gebrannte Mandeln. Dann sah er auf seine Füße. Schmerzen taten sie nicht mehr, ein wenig gerötet waren sie nur noch, aber das war nicht der Rede wert. Also zog er sich seine Socken wieder an und zuletzt auch seine Schuhe, ehe er die Lappen, die kühlend auf seiner Haut gelegen hatten, in den Mülleimer warf. Die konnte er ja wohl kaum noch einmal verwenden, wenn die jetzt eine halbe Ewigkeit auf seinen Füßen gelegen hatte.

    „Okay, dann mal los...“

    „Soll ich noch beim Zusammenräumen helfen?“, fragte Bill zaghaft lächelnd an Tom gewandt. Sofort nickte er – vielleicht konnte er den 21 Jährigen dazu überreden, sich von ihm nach Hause fahren zu lassen oder so. Sie hatten heute immerhin kaum Zeit füreinander gehabt...

    Sorgfältig tat Bill seine Arbeit. Er hatte nicht erwartet, dass ihm das Ganze so viel Spaß bereiten könnte. Vielleicht lag es aber auch lediglich darin begründet, dass er diese… „Beschäftigungstherapie“ vermisst hatte. Langeweile mochte wunderbar erscheinen, wenn man ständig unter Stress stand, tat man das nicht, konnte sie grausam sein. Endlich hatte er sich mal wieder gefühlt, als würde er gebraucht, als wäre er zu irgendwas nütze. Wie sehr hatte er dieses Gefühl vermisst.

    Langsam, da seine Füße beim Laufen doch ein wenig schmerzten, näherte sich Tom. Wie eine Katze, die um ihre Beute herumschlich, jedoch irgendwie viel zaghafter. Wie er es anpacken sollte, hatte er nicht weiter geplant, versuchen tat er es dennoch weiterhin. Nur wollte es ihm nicht gelingen. Dennoch musste er handeln. Er durfte nicht untätig bleiben, er musste die günstige Gelegenheit nach dem Kuss nutzen, er musste es schaffen, Bill nicht wieder Abstand nehmen zu lassen. Ohne ihn zu irgendetwas zu drängen. Er musste, sonst ginge alles wieder von vorne los. Ganz bestimmt.

    „S… soll ich dich vielleicht nach Hause bringen? Ich meine, so als Dank dafür, dass du so lieb geholfen hast? Ich mein… es ist dunkel, kalt… da willst du bestimmt nicht allein nach Hause gehen, ist doch auch… gefährlich, oder? Nicht, dass dir… dass dir was zustößt.“, rechtfertigte Tom seine Frage schüchtern.

    Bills Augen wurden groß. Ablehnen wollte er nicht, obgleich sich bereits sein schlechtes Gewissen zu Wort meldete. Er konnte es nicht leiden, Umstände zu machen, seinetwegen war der heiße Glühwein auf Toms Füßen gelandet und bestimmt bedeutete es für Tom einen Umweg, wenn er ihn nach Hause brachte. Und… ob er wollte, das Tom sah, wie er wohnte, wie unschön die Gegend war… das war auch so eine Frage, die ihm in den Sinn kam. Dennoch sagte er zu. Tom bemühte sich so sehr um ihn und der Kuss war wirklich wunderbar gewesen, erneut wollte er ihm nicht das Gefühl geben, er wäre nicht interessiert.

    Er musste sich einfach zusammenreißen, seinen inneren Schweinehund davon abhalten, womöglich wieder mal einen potentiellen Partner zu vergraulen.

    Toll, er hörte sich an, als sei er auf einem Viehmarkt ... Aber hatte nun mal schon so viele, liebe Menschen vor den Kopf gestoßen, nicht auf ihre Annäherungen reagiert, obwohl er Interesse gehabt hatte ... Und Tom schien nun mal wirklich ein furchtbar lieber Kerl zu sein.

    Also ... wenigstens ein bisschen zusammenreißen. Er musste dem Hopper ja nicht um den Hals fallen oder ihm sagen, dass er begann, wirklich Interesse zu haben, das lag auch nicht in seiner Macht, weil er es einfach nicht konnte, weil seine Hemmungen dazu viel zu groß waren. Aber wenigstens versuchen, den jungen Mann nicht von sich zu weisen, wollte und konnte er.

    Toms Herz klopfte, als sei sein Besitzer einen Marathon gelaufen. Das Ja über Bills Lippen gleiten zu hören, rief einfach in dem 23 Jährigen Aufregung und Freude hervor. Offen zugegeben, hatte er nicht mit dieser Antwort gerechnet, aber Bill lächelte ihn dermaßen süß an, dass er wusste, dass er sich nicht verhört hatte.

    Als ein paar Minuten später der Stand von Georg abgeschlossen wurde und die G's sich von dem Sohn ihres Arbeitgebers und dessen Schwarm verabschiedeten, standen Tom und Bill alleine da.

    „Also dann ... Ich hab da hinten über die Straße drüber, auf dem großen Parkplatz geparkt ... Lass uns mal hingehen, dann müssen wir uns nicht so den Arsch abfrieren. Ich hab eine Klimaanlage im Auto, da wird‘s schnell warm! Und dann fahre ich dich nach Hause!“

    Wie verlockend das klang. Wärme. Bemerkt hatte er es kaum, doch er fror. So dick war seine Winterjacke nun auch nicht, was ihm in all der Aufregung irgendwie gar nicht mehr bewusst gewesen war. Normalerweise wärmte ihn ja auch der Glühwein von innen, daher war es generell nicht so schlimm. Doch heute… Nicht, dass er noch krank wurde. Das wäre wirklich… nein, gut wäre das nicht. Dann könnte er Tom nicht besser kennenlernen und… womöglich wieder den Rückzug antreten. Nun, da er seine Schüchternheit einmal quasi teilweise überwunden hatte, musste er dranbleiben, um nicht in wieder in alte Muster zu verfallen, die leider so furchtbar bequem waren.

    Es fühlte sich gut an, so neben Tom die Straße hinunterzulaufen. Als… als gehörten sie zusammen. Er traute sich kaum, das zu denken. Als das Auto des Hoppers dann in Sicht kam, war Bill durchaus beeindruckt. Ein hübscher Wagen. Wenn er doch nur… aber er besaß ja keinen Führerschein. Hatte er nie gemacht, denn erstens hatte er das Geld nicht aufbringen können und zweitens… Wozu? Ein Auto konnte er sich ja doch nicht leisten.

    Gentlemanlike hielt Tom ihm die Autotür auf, woraufhin Bill einstieg. Die Sitze waren echt bequem. Und schön sah das Ganze auch von innen aus. Wirklich. Er war ganz fasziniert.

    Tom stieg auf der Fahrerseite ein und drehte den Zündschlüssel im Schloss herum, damit die Heizung anging. „Wo… wo soll’s denn hingehen?“, erkundigte er sich grinsend.

    Bill druckste herum ... Er wollte noch ein wenig hier drinnen bleiben und nicht schon nach Hause. Er fühlte sich gerade tatsächlich wohl. Toms Art ... so zurückhaltend und dennoch eindeutig, das Auto, so elegant und schön und dennoch nicht protzig.

    Er war gerade so zufrieden ...

    „Ich ... also ... oh Gott, jetzt ist mir meine Adresse entfallen.“, runzelte Bill aufgeregt die Stirn. Eine schlechte Ausrede. Eine verdammt schlechte ...

    „Jetzt sag nicht, du bist obdachlos!“

    Alles fiel aus Toms Gesicht, als dieser Gedanke sich in seinen Kopf schlich und er die Frage stellte. Er hatte wirklich Angst, dass Bill obdachlos war und er deswegen immer so viel auf dem Weihnachtmarkt war, er einfach bisher vertuscht hatte, dass er kein Zuhause hatte.

    Erschrocken schnappte Bill nach Luft und schüttelte hastig den Kopf.

    „Nein! Es ... es ist nur ... Ich mag halt mein Zuhause nicht, vor allem nicht zu dieser Jahreszeit und deswegen bin ich da immer so ungerne ... Tut mir leid, dass ich dich gerade für dumm verkaufen wollte ... also von wegen ich weiß meine Adresse nicht ... Ich wohne auf der Bahnhofstraße 18. Weißt du wo das ist?“

    Besorgt blickte Tom seinen kleinen Schwarm an und nickte, bevor er dem ein „Ist schon okay.“, erwiderte, den Zündschlüssel weiter drehte und den Wagen langsam vom Parkplatz lenkte. Es war 22 Uhr ... und die Bahnhofstraße war gleich bei ihm um die Ecke. Dort war quasi eine Welt zwischen finanziell gutbetucht und finanziell nicht so toll gelegen.

    Und dieser Umstand ... dass er gerade mal zwei Straßen entfernt wohnte, brachte ihn zu einem Entschluss: Er würde jetzt einfach mit Bill zu sich fahren und mit ihm zu Abend essen und eine DVD gucken, wenn er Lust hatte und dann konnte er ihn nach Hause schaffen. Ein kleines Verdauungsspaziergängchen quasi. Und wenn Bill das Ganze nicht wollte, konnte er immer noch einfach weiter fahren und ihn nach Hause bringen.

    Leicht deprimiert sah Bill aus dem Fenster. Gleich würde er sich von Tom verabschieden müssen. Gefallen wollte ihm das nicht so recht. Die ganze Fahrt über sinnierte er, wie er das „Ende“ noch ein Stückchen hinauszögern konnte, sodass er irgendwann mit Verwunderung feststellen musste, dass Tom nicht in der Bahnhofstraße gehalten hatte. Stattdessen befanden sie sich in der Gegend, von welcher Bills Zuhause nur wenige Meter trennten. Einer Gegend, in welche Bill sich niemals trauen würde, da er dort schlicht und einfach nicht hingehörte.

    „Wo… wo sind wir?“

    Tom zuckte vor Schreck zusammen. Ganz bestimmt hatte Bill Angst, dachte, er wolle ihn entführen oder sowas. Gar nicht gut. Hilflos begann er zu stammeln: „Ich… dacht ja nur, wir… könnten vielleicht… noch… einen Film gucken oder was essen, wo… wo du doch nicht so gern bei dir bist… Es sei denn… es sei denn, du hast was dagegen einzuwenden, ich mein… ich kann dich auch einfach nach Hause bringen, dachte nur…“

    Da hatten sie wohl beide den gleichen Gedanken gehabt, dachte sich Bill. Zwar stimmte es, dass er sich nicht gern in seiner Wohnung aufhielt, doch… ob er sich in Toms wohlfühlen würde, war ihm auch noch nicht klar. Er hielt Tom nicht für überheblich, im Gegenteil, er hatte das Gefühl, dass er ihn respektierte, doch er wusste nicht, ob er in seinem Zuhause nicht fehl am Platze fühlen würde. Nun ja, ablehnen wollte er dennoch nicht.

    „N…nein, ich… können wir doch… mal versuchen.“, erklärte er, wobei eine leichte Röte seine Wangen zu überziehen begann. Am liebsten hätte Tom ihn in diesem Moment erneut küssen wollen. Wie es schien, war Bill tatsächlich willens, über seinen Schatten zu springen. Das… das war bereits wesentlich mehr, als er erwartet hatte.

    Fröhlich und bereits jetzt überaus zufrieden mit der Welt parkte er ein, sprang aus dem Wagen und ließ Bill aussteigen. Ihm war bewusst, dass er wegen dessen Minderwertigkeitskomplexen vorsichtig sein musste, doch was änderte das daran, dass dieser Abend hoffentlich wundervoll würde?

    Und so luxuriös war seine Wohnung nun auch nicht, dass Bill denken würde, er sei reich oder sowas. Davon abgesehen ... In einer Wohnung, wo der Putz von den Wänden fiel und das Wasser in der Dusche nicht warm wurde, würde Bill wohl auch nicht leben. Er sah gepflegt aus und dass er nicht viel Geld hatte, sah man ihm in keiner Weise an. Natürlich glaubte er Bill, dass bei ihm das Portmonee nicht gerade voll war, dennoch bekam man heute vom Staat genug Unterstützung, dass man auf menschenwürdige Weise leben konnte. Und das tat Bill, nur konnte er sich halt keinerlei Extras leisten.

    „Komm, ich wohne hier gleich im Erdgeschoss!“, lächelte der Hopper seine Begleitung an und zog ihn einfach an der Hand mit sich, bis sie vor seiner Wohnungstür standen. Rasch öffnete er sie und schaltete im Flur das Licht an.

    „Deine Jacke kannst du dort aufhängen, deine Schuhe dort hinstellen, und da kannst du dir ein paar Hausschuhe raussuchen!“

    Mit einem freudigen Lächeln rannte Tom schon in die Küche, nachdem er sich in einem Blitztempo seiner Straßenkleidung entledigt hatte. Er konnte es kaum erwarten, mit Bill auf der Couch zu sitzen, gemeinsam zu essen und einen Film zu schauen. In diesem Moment gab es nichts, was er sich hätte vorstellen können, was schöner gewesen wäre. Klar gab es noch andere, schönere Sachen, wie intimere Momente mit Bill, aber er wollte sich ja selbst erstmal herantasten und Bill brauchte gewiss auch ein langsames Tempo, um überhaupt etwas aus sich herauszukommen, was Annäherungen anging.

    „Was willst du denn zu Essen machen?“, fragte Bill, als er dem 23 Jährigen in die Küche folgte und ihn im Frostfach seines Kühlschranks herumkramen sah.

    „Pizza, das ist doch in Ordnung für dich? Oder magst du was anderes essen?“

    „Äh. Nein, wieso? Ich hab nichts dagegen. Aber… Popcorn würde mir auch genügen, wenn ich ehrlich sein soll.“, entgegnete er und fasste sich schüchtern in den Nacken.

    Ihm gefiel die Einrichtung hier wirklich. Tom besaß definitiv Geschmack. Ach, zu schade, dass er nicht die Mittel hatte, seine Wohnung so zu gestalten. Lohnte sich allerdings auch nicht, denn er wäre nicht allzu traurig, wenn er dort bald ausziehen könnte. Nicht, um bei Tom einzuziehen, so weit dachte er noch längst nicht, aber allgemein eben.

    Ein wenig unschlüssig sah er Tom dabei zu, wie er die Pizza auspackte, den Müll wegwarf und sie schlussendlich in den Ofen legte. Zwar war ihm bewusst, dass er hier willkommen war, dennoch traute er sich nicht recht, sich irgendwo hinzusetzen.

    Nachdem der Hopper die Temperatur eingestellt hatte, drehte er sich zu Bill um. „Was für einen Film willst du denn gern sehen? Was Romantisches, was Gruseliges, was Spannendes, was Lustiges, was Trauriges? Was gibt’s denn noch?“, er überlegte einen Moment, doch gelang es ihm nicht, seine Liste zu verlängern. Reichte vermutlich auch schon.

    „Ist mir eigentlich… relativ egal.“

    „Egal schränkt die Auswahl ja nun mal absolut gar nicht ein. Um das zu hören, hab ich nicht gefragt.“, Tom grinste.

    „Dann… also… hm. Nichts Trauriges und nichts Gruseliges. Mir wär’s aber ehrlich gesagt am liebsten, wenn du aussuchen würdest. Damit ich vielleicht…“, er zögerte, um dann herauszuplatzen: „Sehe, was du so magst.“ Denn das interessierte ihn wirklich. Besäßen sie einen ähnlichen Geschmack, war das schon einmal ein gutes Zeichen. Zumindest war er geneigt, das anzunehmen.

    „Von mir aus… passt du dann so lange auf, damit die Pizza nicht anbrennt? Bin gleich wieder da.“, mit diesen Worten verließ Tom die Küche und ging in sein Schlafzimmer, wo er einen Großteil seiner Filme aufbewahrte. Wirklich zufrieden war er mit Bills ausweichender Taktik nicht, doch vielleicht erwartete er aufgrund der vielen Dinge, die seine Hoffnungen übertroffen hatten, zu viel.

    Wobei Bill ja auch gesagt hatte, dass er wollte, dass Tom den Film aussuchte, damit er sah, was er mochte. Und das war doch ein sehr gutes Zeichen, oder? Ja … doch … eigentlich schon …

    Direkt ein wenig besser drauf, durchforstete Tom seine kleine Filmsammlung und zog letztendlich 'The day after tomorrow' raus. Nicht gerade der neuste Film und auch nicht der beste, aber etwas anderes wusste er jetzt nicht so recht, was sie gucken konnten. Der Film war immerhin nicht schnulzig und wirklich gruselig auch nicht. Also waren die Kriterien, die Bill gestellt hatte, schon mal erfüllt. Tom konnte nur hoffen, dass er zufrieden mit seiner Auswahl war.

    Also nahm er den Film, ging in die Stube und legte da die DVD schon mal ein und machte auch den Fernseher an und ging dann wieder in die Küche zu seinem kleinen Schwarm. Wie gebannt saß Bill dort nun auf einem der Küchenstühle und sah die Familienpizza, die im Backofen langsam vor sich hin backte, an. Sein Gesichtsausdruck zeigte dem Hopper, dass er wohl wirklich Hunger hatte. Mit einem Schmunzeln ging Tom an seinem Gast vorbei und öffnete den Kühlschrank. Was konnte er denn Bill geben, damit dieser nicht 'verhungerte' bis die Pizza fertig war?

    Kurz überlegte er, dann schnappte er sich die Packung BiFi die er für seine kleine Appetitattacken meist vorrätig hatte, und trennte zwei ab. Dann legte er den Rest wieder in den Kühlschrank und warf dem Jüngeren eine der BiFis auf den Schoß.

    „Hier, schon mal als 'Vorspeise'!“

    Sein Gegenüber zuckte zusammen. Das hatte er nicht erwartet, er war so auf die Pizza konzentriert gewesen, dass er Toms Näherkommen gar nicht bemerkt hatte. Was fiel dem eigentlich ein, fragte er sich kopfschüttelnd, grinste aber dabei. Er hatte an ihn gedacht, hatte gesehen, dass er hungrig war, kümmerte sich um ihn. Das war neu für Bill. Und irgendwie genoss er es.

    „Was… was für einen Film hast du ausgesucht?“, erkundigte er sich, um von seinem Missgeschick abzulenken.

    Tom zog eine DVD-Hülle hinter seinem Rücken hervor. „The day after tomorrow. Ich mag den Film ganz gern und es wird deinen Kriterien gerecht. Find ich jedenfalls.“, meinte er. Dagegen hatte Bill nichts einzuwenden, denn erstens hatte er den Film noch nicht gesehen, zweitens viel Positives über ihn gehört und ihn sich drittens eh mal anschauen wollen, wozu er jedoch irgendwie nie gekommen war. Optimale Bedingungen, wie er befand.

    Als die Pizza dann fertig war, liefen die beiden ins Wohnzimmer, setzten sich auf die Couch und Tom betätigte die Play-Taste. Entspannt lehnten sich die beiden zurück, aßen ihre Pizza und genossen den Film. Immer wieder sahen sie – wenn sie dachten, der jeweils andere bemerkte es nicht, da er abgelenkt war – einander von der Seite an.

    Allzu viel bekam Tom vom Film war nicht mit, doch es störte ihn nicht, er kannte ihn ja bereits. Der unkonzentrierte Bill verpasste ebenfalls einen Großteil, zumindest nahm er ihn nur unbewusst wahr, doch das hinderte ihn nicht daran, ein wohlwollendes Resümee zu ziehen. Wirklich. Tom hatte einen guten Filmgeschmack; ein positives Zeichen.

    Okay, auch so hatte Tom sich bisher immer als positiv erwiesen, egal was er bisher gemacht hatte, aber dennoch … jetzt hatte er halt noch einen Pluspunkt mehr.

    So langsam begriff Bill, dass er wirklich begann, Tom zu vertrauen und ein wenig auf ihn einzugehen, zu hoffen, dass sich mehr aus ihnen entwickeln würde, als beinah Freunde – oder richtige Freunde, sofern man das nach so wenigen Tagen schon sagen konnte. War er vielleicht einfach zu skeptisch? Klar kannten sie sich noch nicht lange, aber auch schon nach so kurzer Zeit konnte man sich gut anfreunden und als Freunde bezeichnen, ohne das 'fast' oder 'beinah', was er meist davor setzte. Er sollte wohl wirklich langsam mal lockerer werden. Er war alt genug, um sich nicht wie ein kleines, verletzliches Außenseiterkind zu verhalten, dem ja alle so viel Böses wollten. Bill musste allmählich erwachsen werden …

    Verwirrt und sogar ein wenig erschrocken, zuckte Tom zusammen, als gerade der Abspann lief und etwas Warmes an seine Schulter rutschte. Verwirrt blickte er neben sich und konnte tatsächlich Bill erkennen, welcher mit geschlossenen Augen an seiner Seite lehnte und scheinbar schlief …

    Schnell klopfte Toms Herz in seiner Brust. Wecken, oder schlafen lassen? Wecken? Schlafen lassen? Wecken? Schlafen lassen? Wecken … Gott nein, wenn er dieses engelsgleiche Gesicht so zufrieden und selig mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schlafen sah, konnte er Bill nicht wecken. Das ging nicht – und er wollte es auch nicht, weil er so gern weiterhin die Wärme und Nähe des 21 Jährigen spüren wollte. Es fühlte sich so schön an und fast schon hatte Tom das Gefühl, diesen zierlichen Körper vor allem Bösen schützen zu können.

    Aber was sollte er denn machen? Versuchen, sich wegzubewegen, ohne seinen Gast zu wecken, ihn versuchen ins Schlafzimmer zu tragen und ihn dort hinlegen, sich hier wegbewegen und Bill in eine liegende Position bringen oder sitzen bleiben und so tun, als sei er auch beim DVD gucken eingeschlafen?

    Aufgeregt ging Tom immer wieder alle Möglichkeiten durch und befand schließlich die Flunkergeschichte am besten. Es war zwar nicht die bequemste Variante, aber das Risiko, dass Bill wach wurde, war am geringsten, außerdem konnte er den Jüngeren so die ganze Nacht bei sich haben – und das war im Moment für ihn mehr wert als Gold. Ein kleiner Traum …

    „Okay Tom … bleib sitzen und schlaf ein und morgen früh, wenn du arbeiten gehen musst, sagst du, du bist auch eingeschlafen … ganz einfach!“, redete er sich selbst zu und atmete tief durch, bevor er versuchte sich zu entspannen und die Augen schloss. Schlafen … er musste schlafen …
    Zitat des Tages

    Interview-Frage: "Wie sieht deine Traumfrau aus?"
    Georg: "Sie sollte selbstbewusst sein und schwer zu erobern. Aber zuerst gucke ich meistens auf den Arsch.“


    aus einem Interview


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