Dr. Christmas - Weihnachten ist überall...
...heißt die aktuelle Weihnachts-FF von Melo & Diana.
Seid gespannt auf den ersten Teil einer romantischen Weihnachtsgeschichte im verschneiten New York...
Teil 1
"Bill?", rief jemand seinen Namen und rüttelte ihn unsanft an der Schulter. "Bill, steh endlich auf, sonst kommen wir zu spät."
Widerwillig öffnete Bill die Augen, gähnte ungeniert und streckte sich unter der warmen, weichen Federbettdecke. Der Geruch von frischem Kaffee stieg ihm in die Nase, während er sich langsam aufrichtete und einen Blick auf die Uhr warf. Es war kurz nach sechs und um sieben würde ihre Schicht im Krankenhaus beginnen, zu der Tom und er sich freiwillig gemeldet hatten. Vielmehr war es tatsächlich so, dass Bill Tom dazu überredet hatte, die vielen Schichten kurz vor Weihnachten zu übernehmen, weil er wusste, dass Mara - eine unheimlich attraktive und intelligente Medizinstudentin, zwei Semester über ihm und Tom - ebenfalls die vorweihnachtlichen Schichten freiwillig übernommen hatte. Seit Beginn des Medizinstudiums hatte Bill auf Auge auf sie geworfen, doch bisher hatte sie sich herzlich wenig für ihn interessiert. Die meiste Zeit verbrachte Mara damit, in der Bibliothek zu lernen und freiwillige und ehrenamtliche Arbeiten zu übernehmen. Dieses Semester hatte sie sich für die Schichten auf der Kinderstation gemeldet, die kurz vor Weihnachten stets rar besetzt waren. Um ihr zu zeigen, dass er sich ebenfalls engagierte hatte sich Bill (abgesehen von der Tatsache, dass Weihnachten für ihn ohnehin nie einen besonderen Stellenwert eingenommen hatte) kurzerhand selbst gemeldet und seinen Bruder angefleht, es ihm gleich zu tun. Da Toms Freundin, Bell, eine großartige und mindestens ebenso engagierte Krankenschwester, selbst auf der Kinderstation arbeitete, hatte er sich von Bill breitschlagen lassen, in der Hoffnung, mehr Zeit mit Bell verbringen zu können.
"Stehst du jetzt endlich mal auf oder willst du am ersten Tag zu spät kommen und einen schlechten Eindruck bei Mara hinterlassen?", frage Tom, zog ihm die Decke von den Beinen und reichte ihm einem Becher Kaffee, den Bell, die vermutlich schon unten vor der Haustür in ihrem Auto auf die beiden wartete, vorsorglich mitgebracht hatte. Das tat sie immer, wenn sie gemeinsam eine Frühschicht antraten.
Bill brummte verschlafen, richtete sich schließlich auf und schnupperte an dem Kaffee, der augenblicklich seine Lebensgeister weckte. Eilig stand er auf, hechtete ins Bad und putzte sich mit der einen Hand die Zähne, während er mit der anderen sein struppiges blondes Haar stylte.
"Ich bin gleich fertig", rief er seinem Bruder zu, stolperte zurück in sein Zimmer und schlüpfte in eine Jeans und ein eng anliegendes dunkelgraues T-Shirt. Während er nach seinem dicken Wintermantel griff und gleichzeitig versuchte, in seine Stiefel zu kommen, trank er einen Schluck Kaffee und verbrannte sich prompt die Zunge.
"Warum hast du mich nicht früher geweckt?", schimpfte Bill, als er zusammen mit Tom die Treppe ihres Studentenwohnheims hinunterlief.
"Habe ich", protestierte Tom. "Ich habe es ungefähr hundert Mal versucht, nachdem du deinen Wecker ignoriert und einfach weitergeschlafen hast."
Bill seufzte und öffnete die Haustür. Über die Nacht schien es wohl wieder geschneit zu haben, denn die Straßen und der Großteil der parkenden Autos waren über und über mit dem weißen pulvrigen Schnee bedeckt, der seit Anfang Dezember kein Ende zu nehmen schien.
"Morgen, Bill", flötete Bell, die in eine dicke Jacke gewickelt an ihrem alten schäbigen VW Polo lehnte und sich an ihrem Kaffeebescher wärmte. Unter ihrer Kapuze lugten ihre schönen dunkelblonden Locken hervor und rahmten ihr Gesicht ein, wie das eines Engels.
"Morgen", sagte Bill und drängte sich nach hinten auf die schmale Sitzbank. Bell brauchte dringend ein neues Auto. Aber immerhin hatte sie wenigstens eines. Tom und er waren froh, dass sie ein preiswertes Studentenheim gefunden hatten, dass zumindest in der Nähe des New York Hospitals lag, in der sie ihre praktische Ausbildung genossen. Für einen Wagen blieb allerdings kein Geld. Tom begrüßte seine Freundin, setzte sich auf den Beifahrersitz und drehte sich dann zu Bill um: "Denk daran, ich habe etwas gut bei dir, Brüderchen." "Ja, ja", murmelte Bill, lehnte sich zurück und machte es sich - so es ging - bequem. Er schloss die Augen und ging im Kopf die Möglichkeiten durch, mit denen er Mara beeindrucken konnte.
Viele Möglichkeiten gab es da wohl leider nicht. Er hatte schon einiges ausprobiert und war jedes Mal kläglich gescheitert. Aber er würde nicht einfach so aufgeben. Nachdem sie seine Frage ob sie mit ihm einen Kaffee trinken gehen würde, ausgeschlagen hatte, hatte sie nur seinen Ehrgeiz geweckt. Er würde sich ihr sicher nicht aufdrängen, sodass es ihr womöglich noch unangenehm werden würde, aber er würde sich bemühen, um ihr Interesse zu wecken.
Als sie an dem rötlich-weißen Gebäude ankamen, parkte Bell den Wagen und die drei stiegen aus. Hastig nahm Bill wieder einen Schluck seines heißen Getränks. Er würde sich nachher sicher noch einen Kaffee am Automaten holen. Der eine reichte nicht, zumal Bell wieder einen milden Kaffee geholt hatte. Wann würde sie denn mal verstehen, dass er einen extra-starken brauchte? Nun, letztendlich war er ihr dankbar, dass sie für ihn und Tom überhaupt Kaffee holte. Meist gaben sie ihr ja nicht mal Geld dafür. Arme Studenten - das war wahr.
"Mara, Mara, Mara."
Bill zuckte erschrocken zusammen, als er vor sich hinträumend, aus seinen Gedanken gerissen wurde. Als er bemerkte, dass seine Angebetete nirgends zu sehen war, warf er Tom, der sich mit Bell köstlich darüber amüsierte, einen bösen Blick zu.
"Klappe'", knurrte er und schlürfte wieder an seinem Kaffee.
Einige ihrer Ausbildungsärzte grüßten sie auf dem Weg zur Umkleidekabine. Hier verabschiedete sich auch Bell, die sich schon auf den Weg zur Kinderstation machte, um sich dort im Schwesternzimmer umzuziehen.
"Ins Schwesternzimmer würde ich gerne mal reinschauen", scherzte Bill und öffnete seinen Spind.
"Oh ja", stimmte Tom grinsend zu und zog sich um.
Die Kinderstation unterschied sich nur unwesentlich von den anderen. Zwar hatte man einige bunte Bilder in die langen weiß-grünen, steril anmutenden Gänge gehängt und die Ärzte und Schwestern hatten Teddybären und Blumen auf ihre Kittel genäht, doch es blieb, was es war: eine Station in einem Krankenhaus, in der man alles Erdenkliche dafür tat, dass kranke Kinder schnellstmöglich wieder gesund wurden. Doch das war zweifellos nur die eine Seite - die andere war die, dass es auch einige wenige Kinder gab, die kamen und nicht wieder zurückkehrten, Kinder, die Krankheiten hatten, für die die Medizin noch nicht bereit war, Kinder, die auf Knochenmark oder Organe warteten und letztlich gegen die Zeit verloren.
Auch wenn anfänglich im Studium nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Ausbildung am Krankenbett stattfand, hatte Bill relativ früh gelernt, eine Wand zu errichten, an der all das Leid, der Kummer und die Ausweglosigkeiten abprallten. Anders war ein Leben hier nicht zu bewältigen.
"Guten Morgen", rief eine dickliche, rothaarige Frau mit rosigen Wangen. "Schön, dass Sie beiden hier sind."
"Das ist die Oberschwester", flüsterte Tom, als sie auf die beiden zutrat.
"Ich weiß", zischte Bill leise und deutete verstohlen auf das Namensschild der Oberschwester, das auch ihre Bezeichnung trug, "Ich kann lesen."
"Tatsächlich", sagte Tom und setzte ein überraschtes Gesicht auf.
Bill stieß ihn grinsend in die Seite und rollte die Augen, als just in diesem Moment Mara hinter der Oberschwester auftauchte. Bills Herz tat einen aufgeregten Sprung, als sie sich zu einem kleinen Mädchen hinabbeugte, das aufgeregt an ihrer hellblauen Arbeitskleidung zupfte.
Maras langes braunes Haar war zu einem Zopf gebunden, der ihr elegant über die Schulter fiel. Ihr Körper war schlank aber an den richtigen Stellen weiblich. In ihren dunkelbraunen Augen lag stets eine derart aufrichtige Nettigkeit, dass man nicht umhin kam, sie sympathisch zu finden. Sie hatte volle, hellrote Lippen, auf denen immer ein Lächeln lag.
Bill seufzte schwärmerisch, als Mara dem Mädchen über den Kopf strich und sie zurück in ihr Zimmer schickte.
"Haben Sie mir zugehört, Bill?", unterbrach die Oberschwester seine Ablenkung und verdeckte mit ihren breiten Schultern das schöne Bild, das sich ihm geboten hatte.
Bill räusperte sich:
"Ähm.ja, ich meine nein." Er kratzte sich lachend am Hinterkopf und zwang sich innerlich zur Disziplin - das war immerhin noch ein Krankenhaus.
"Das dachte ich mir", sagte sie und schüttelte verärgert den Kopf. "Ich möchte, dass Sie ins Zimmer 2b gehen. Dort liegt ein Mädchen mit Verbrennungen am Unterarm. Lassen Sie sich von Mara die Cortisoncreme geben und verteilen Sie sie auf den Armen, ja?"
Bill lächelte:
"Klar, kein Problem."
Tom zwinkerte Bill zu und wandte sich sodann wieder der Oberschwester zu, die ihm seine Aufgaben erklärte.
Bill holte tief Luft, straffte die Schultern und setzte ein charmantes Lächeln auf. Dann ging er zu Mara herüber, die grade eine Patienten-Akte überflog.
"Hey, Mara", sagte er.
Sie sah ihn kurz an, lächelte für kaum mehr als zwei, drei Sekunden zur Begrüßung und sah dann wieder in die Akte. Bill räusperte sich, in der Erwartung wieder ihre Aufmerksamkeit zurückzuerlangen und die Nervosität loszuwerden. Abermals sah sie auf - dieses Mal mit fragenden Augen.
"Ich brauche die Cortisoncreme für Zimmer 2b."
Einen Moment runzelte Mara verwirrt die Stirn, lächelte und nickte dann aber wieder.
"Ja, natürlich! Warte mal kurz."
Na sehr gesprächig war sie ja nicht. Enttäuscht ließ Bill die Schultern hängen und seufzte. Fing ja toll an, der Tag. Und ihm war noch immer nichts eingefallen, wie er Mara vielleicht beeindrucken könnte. Höchstens super Umgang mit den Kindern, aber das setzte er bei sich ja sowieso voraus. Er würde niemals böse oder gemein zu einem Kind sein. Im Gegenteil, er mochte die Krümel eigentlich und lächelte beinah automatisch, wenn er die kleinen Wirbelwinde sah.
"Hier! Ein bisschen einreiben, aber nicht zu viel. Die Verbrennungen sind noch recht frisch."
Bill nickte:
"Alles klar.''
Dann verschwand er mit einem letzten Lächeln, welches er Mara zuwarf, den Gang entlang und machte sich auf die Suche nach dem Zimmer.
"Ähm, Bill?"
Sofort blieb Angesprochener stehen und wandte sich mit wild klopfendem Herzen seiner Angebeteten zu. Wie kam das plötzlich? Wieso hatte sie auf einmal doch Interesse an ihm? Und wieso hatte sie ihn denn nicht gleich -
"Du musst in die andere Richtung.''
Bill rümpfte die Nase und kam langsam aus seinem Gedanken-Wirrwarr zurück.
"Was?"
Mara zeigte in die andere Richtung des Flures und lächelte ihn schief an:
"Du musst da entlang. Zimmer 2b ist auf der anderen Seite."
Bill spürte, wie er rot anlief, senkte hastig den Kopf und murmelte:
"Natürlich!" Eilig lief er den Flur hinunter und überflog mit den Augen die Türnummerierungen, bis er auf das entsprechende Zimmer stieß. Er öffnete die Tür und trat ein. Es war ein Vierbett-Zimmer, doch bisher war nur eines der Betten besetzt. Bill wusste, dass sich das bald ändern würde, denn vor Weihnachten gab es regelmäßig kleinere Unfälle beim Schlittenfahren, Einkaufen oder Plätzchenbacken.
"Hallo", sagte er lächelnd und lief auf das Bett zu, als er plötzlich seinen Freund George erkannte, der auf dem Bettende saß und mit dem kleinen, braunhaarigen Mädchen spielte, dessen Unterarme fürchterlich rot, blasig und teilweise gepellt waren.
"George!?", rief Bill und schlug seinem langjährigen Freund auf die Schulter. George hatte vor wenigen Monaten seinen Doktor ins Psychologie gemacht und spezialisierte sich derzeit auf Tiefenpsychologie, die ihn immer am meisten interessiert hatte. Während seines Studiums hatte er mit einer bezaubernd schönen Engländerin zusammengelebt und Georges Glück schien perfekt zu sein. Er hatte sich sogar vorgenommen, ihr einen Heiratsantrag zu machen, als sie ihm offenbart hatte, dass sie schwanger war. Nachdem sie das Kind bekommen und George verlassen hatte, hatten Bill und Tom ihm oft unter die Arme gegriffen, Babysitter gespielt und ihn anderweitig unterstützt. Inzwischen war Georges Tochter fünf, hatte sein herrliches braunes Haar und die Augen ihrer Mutter.
"Onkel Bill", rief Emily begeistert. In ihren großen grünen Augen leuchtete die kindlich naive aber ehrliche Freude eines Mädchens.
Bill setzte sich neben sie aufs Bett, ließ sich vorsichtig von ihr umarmen und blickte George fragend an:
"Was habt ihr denn angestellt?"
George seufzte:
"Plätzchen gebacken", er strich seiner Tochter über den Kopf, "Sie wollte helfen und wollte, als ich eine Minute weggesehen habe, das Blech mit bloßen Händen aus dem Ofen holen wollen. Dabei hat sie sich die Arme verbrannt."
Bill strich über Emilys Kopf:
"Ich frage mich, wie du es immer wieder schaffst, solchen Unfug zu machen." Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass Emily sich verletzt hatte. Vor einigen Monaten hatte sie sich beim Spielen das Handgelenk verstaucht, letztes Jahr sogar das Bein gebrochen.
"Ich wollte Daddy nur helfen", sagte sie und zog eine Schnute.
"Was machst du überhaupt hier?", fragte George und hielt, auf Bills Aufforderung hin, Emilys Arme fest.
"Ehrlich gesagt will ich ein Mädchen beeindrucken", antwortete er mit gesenkter Stimme und schraubte die Creme-Dose auf.
George grinste:
"Ach, die Brünette, die zwei Semester über dir ist?"
Vorsichtig schmierte Bill die Creme mit einem flachen Holzspachtel auf Emilys Arme. Bill wusste, dass die Creme brannte, doch Emily presste tapfer die Lippen aufeinander und gab keinen Laut von sich.
Tapfer hielt die Kleine durch und biss auch beim zweiten Arm die Zähne zusammen. Als Bill den Spatel in den Mülleimer warf, sich die Hände wusch und die Dose zuschraubte, nickte er.
"Ja, die."
"Immer noch?"
Abermals nickte er. Langsam war es ihm peinlich. Er rannte Mara schon ewig hinterher, bemühte sich, umwarb sie mit all seinem Charme und seinen guten Seiten. Bisher leider erfolglos.
"Du armer, treudoofer Depp."
"Ach, lass mich! Du warst doch damals auch nicht besser!", schmollte Bill und brachte George zum Lachen. Emily beobachtete sie beide nur verwirrt, verstand in ihrem zarten Alter noch nicht, was ihr Vater und ihr 'Onkel' meinten.
"Na gut . Ich komme nachher vielleicht noch mal her. Aber jetzt muss ich erst mal weiter arbeiten. Meine Schicht hat eben erst begonnen. Kommt nicht gut, wenn ich da fürs Eincremen gleich ewig weg bin!"
Tom zwinkerte Bell zu, die ein paar Meter von ihm entfernt stand und mit dem Stationsarzt sprach. Sie lächelte, zwinkerte zurück und wandte sich dann wieder an den Arzt.
"Haben Sie nichts zu tun?", brummte die Oberschwester und watschelte grimmig blickend an ihm vorbei.
Tom verzog das Gesicht, warf ihr einen bösen Blick hinterher und seufzte.
"Sie ist immer so", sagte plötzlich jemand hinter ihm.
Tom drehte sich um und blickte in Maras hübsches Gesicht:
"Tatsächlich?", fragte er. "Dann macht es bestimmt keinen Spaß mit ihr zu arbeiten."
Mara zuckte die Schultern, lehnte sich über den Schwesterntresen und griff nach einer weiteren Patienten-Akte:
"Sie macht ihre Arbeit gut und wenn sie mit den Kindern spricht, ist sie sehr herzlich."
"Mein Bruder übrigens auch. Er liebt Kinder", sagte Tom und hatte entschieden, die Chance zu nutzen, für Bill zu werben. Womöglich brauchte er einfach etwas Unterstützung von seinem erfahrenen, charmanten und schier unwiderstehlichem Bruder.
"Gut so, sonst wäre er hier falsch", gab sie wenig interessiert zurück und drückte ihm die Akte in die Hand. "In Zimmer 12d liegt ein Junge, bei dem wir stündlich Fieber messen. Es wäre gut, wenn du das während deiner Schicht erledigen könntest. Und in Zimmer 5a müssen wir Blut abnehmen. Habt ihr das schon geübt und seid zugelassen?"
"Klar", sagte Tom, "aber im Blut abnehmen ist Bill besser." Das war eine dreiste Lüge, aber vielleicht sorgte sie dafür, dass sich Bill und Mara irgendwie näher kamen. Im Moment sah es tatsächlich nicht besonders rosig aus. Wenn Bill sie bis Weihnachten nicht rumgekriegt hatte, würde er wahrscheinlich eine Krise kriegen und ihm über die Feiertage beide Ohren abkauen und sich mit Glühwein betrinken.
"Gut, dann sag ihm doch Bescheid", begann Mara, doch Tom unterbrach sie mit einem charmanten Kopfschütteln.
"Könntest du das erledigen? Ich will mich gleich ums Fiebermessen kümmern."
Mara lächelte und warf ihren braunen Zopf über die Schultern:
"Klar, kein Problem." Im geschäftigen Medizinerschritt rauschte sie von dannen. Tom kam nicht umhin, ihr hinterherzusehen und grinste, als seine Augen über ihr wohlgeformtes Hinterteil glitten. Sein Bruder hatte wirklich Geschmack.
Als er sich umdrehte, erntete er einen bösen Blick von Bell, die mit zusammengekniffenen Augen zu ihm herüberschielte.
Entschuldigend lächelte er und ging seiner Arbeit nach. In der Mittagspause würde er Bell in eine der Abstellkammern entführen und sich ordnungsgemäß entschuldigen. Grinsend rieb er sich die Hände.
"Bill?"
Sofort sah der Student freudig auf, als er den Gang entlang lief und Mara ihm entgegen kam.
"Kommst du bitte? Du musst bitte Blut abnehmen. Gleich hier."
Mara zeigte auf eine Tür und Bill blieb beinah das Herz stehen, als er 'Blut abnehmen' hörte.
"Also . also weißt du . Ich bin da nicht so gut. Ich hab schon zig Mal geübt, aber ich kann mich einfach noch nicht dran gewöhnen, da die Nadel . und so. Also ich will wirklich nicht feige klingen und ich kann's ja, aber manchmal tut es noch ziemlich weh und bei einem kleinen Kind .", stammelte Bill nervös. Er wollte nicht lügen und nachher womöglich ein weinendes Kind anhängen haben, nur weil er zu dumm zum Blutentnehmen war.
Mara seufzte und sah ihn enttäuscht, die Schultern hängen lassend, an.
"Dein Bruder sagte, du kannst das und ich habe eigentlich . Ach was soll's. Komm, wir machen das zusammen. Bei einem Kind ist es ja wirklich ein klein wenig verzwickter. Ich zeige es dir, okay? Du brauchst eigentlich nur genug Feingefühl und darfst die Kanüle nicht so weit vordringen lassen. Komm!"
Auffordernd winkte die Brünette den etwas jüngeren Studenten mit sich und lächelte ihn aufmunternd an. Seine Unsicherheit war ihm wohl anzusehen.
Als sie ins Zimmer traten, blickte ihnen einen hübscher, blonder Junge entgegen, der wohl kaum älter als acht oder neun sein konnte.
"Mara", rief er begeistert, lief auf sie zu und umarmte sie stürmisch.
"Hallo Jimmy", sagte sie, drückte ihn lächelnd und deutete sodann auf Bill. "Ich würde dir gern jemanden vorstellen."
Aufmerksam blickte Jimmy Bill an. Er hatte helle, blaue Augen. Seine Haut war ungewöhnlich hell, fast schon fahl und unter seinen Lidern lagen dunkle Schatten.
"Jimmy, das ist Bill. Wir kennen uns aus dem Studium."
"Bist du auch ein Doktor?", fragte Jimmy und reichte Bill höflich die Hand.
Er schüttelte lächelnd den Kopf und beugte sich zu ihm herunter:
"Noch nicht, aber ich hoffe, bald einer zu sein."
Der kleine Junge zog an seiner Hand und fragte:
"Darf ich trotzdem Doktor zu dir sagen?"
Bill war gerührt. Er kannte diesen Jungen nicht und doch brachte er ihm die gleiche Herzlichkeit entgegen, die er so an Mara bewunderte.
"Na klar", sagte er und wuschelte ihm durchs Haar, "aber nur, wenn wir alleine sind. Wenn einer der richtigen Doktoren kommt, dann findet der das sicher nicht witzig."
Jimmy nickte und sah dann fragend zu Mara:
"Was machen wir heute?"
"Bill wird bei dir Blut abnehmen, ist das für dich in Ordnung, Jimmy?", erklärte Mara. Als er nickte, deutete sie auf sein Bett. "Dann setz' dich schon mal hin. Bill und ich bereiten alles vor, ja?"
Mara wandte sich an Bill und deutete auf die schmalen Wandschränke am anderen Ende des Zimmers, in dem Kanülen, Röhrchen, Desinfektion, Verbände und Pflaster aufbewahrt wurden.
"Wir brauchen zwei Serumröhrchen und eine Butterflykanüle", erklärte sie ihm und reichte ihm eine der silbernen Nierenschalen, in die er beides legen sollte.
Bill nickte, bereitete alles vor und schlüpfte in ein Paar weiße Handschuhe.
"Also gut, Jimmy", sagte er und setzte sich neben ihn aufs Bett. "Bist du bereit?" Im Grunde war Bill selbst nicht bereit, aber er gab sich große Mühe, sich nichts anmerken zu lassen.
Jimmy nickte und streckte den rechten Arm aus:
"Mara und die anderen Schwestern machen das oft."
"Tatsächlich?", fragte Bill. Vorsichtig band er den blauen Stau-Gurt um Jimmys schmalen Oberarm und zog ihn fest. "Jetzt eine Faust machen." Er lächelte und versuchte, seinem nervösen, hektischen Herzschlag unter Kontrolle zu kriegen.
"Ich bin krank, Dr. Bill", sagte Jimmy, "Das weiß ich. Aber die anderen sagen, dass ich vielleicht wieder gesund werden kann, wenn man jemanden für mich findet, der mir Knochenmark geben kann. Aber das ist sehr schwer und deswegen muss ich warten."
Bill schloss für einen Moment die Augen. Der Junge hatte Blutkrebs. Seine Augen suchten die von Mara, doch sie mied seinen Blick, als sie leise sagte:
"Akute myeloische Leukämie. Die anderen Therapieansätze sind bisher nicht angeschlagen und wir suchen schon eine geraume Weile einen passenden Spender. Leider hatten wir bisher kein Glück."
"So wie du gucken alle, Dr. Bill." Jimmy hatte seine linke Hand auf Bills Unterarm gelegt. "Aber du musst nicht traurig sein."
Bill räusperte sich, zwang sich zu einem Lächeln und sagte:
"Ich bin sicher, dass wir jemanden finden, der dir helfen kann, Jimmy." Er griff nach der Desinfektionsflasche, sprühte auf Jimmys rechte Armbeuge und wischte mit einem Tupfer kurz darüber.
Mara rutschte dichter an ihn heran:
"Bereit?"
"Nein", sagte Bill ehrlich, lächelte schief und bedeutete ihr, fortzufahren.
"Also gut", begann sie, "Jimmy, du musst jetzt einmal ganz tief Luft holen, so tief du kannst, ja?"
Jimmy nickte. Just in dem Moment, in dem der Kleine einatmete, legte Mara ihre Hände um Bills und schob sie mit einem sanften Ruck nach vorn. Mühelos durchdrang die Kanüle die Hautschichten und traf die Vene. Bill Herz verfiel in einen raschen Sprint. Wie oft hatte er sich vorgestellt, wie sich Maras Hände anfühlen würden. Jetzt berührte sie ihn, doch durch die Gummihandschuhe spürte er nur die Wärme, die von ihrer Haut ausging. Sie lächelte sanft und in ihren braunen Augen lag diese unverhoffte Zärtlichkeit.
"Hat gar nicht wehgetan", kicherte Jimmy.
"Und jetzt anziehen und testen, ob die Kanüle weit genug in der Vene liegt", flüsterte Mara. Sie saß so dicht neben ihm, dass er ihren Atem an seinem Hals spürte. Noch immer lagen ihre Hände an Ort und Stelle und machten es Bill nahezu unmöglich, sich zu konzentrieren.
"Ja.ja, ich weiß, wie das geht", sagte er stockend. Seine Stimme klang trocken und nervös. Er musste sich endlich wieder unter Kontrolle bringen - so würde er sie jedenfalls nicht beeindrucken.
Nachdem er die zwei Serumröhrchen gefüllt und Jimmy ein Pflaster auf den Arm geklebt hatte, legte Bill dem kleinen die Hand auf die Schulter:
"Du bist wirklich mutig, Jimmy."
"Ich weiß", sagte er und grinste schelmenhaft. "Bist du jetzt öfter hier, Dr. Bill?"
"Bis Weihnachten auf jeden Fall", antwortete er. Sein Blick fiel auf eine Kindergitarre, die neben Jimmys Bett an der Wand lehnte. "Spielst du?"
Der Junge nickte:
"Ein bisschen. Ich kann ein paar Weihnachtslieder spielen."
"Mein Bruder spielt auch Gitarre", sagte Bill grinsend. "Vielleicht könnt ihr ja mal zusammen spielen. Er arbeitet auch hier auf der Station."
In Jimmys Augen glomm ein Leuchten auf:
"Das wäre cool", rief er begeistert. "Und du, Dr. Bill? Spielst du auch ein Instrument?"
Verlegen kratzte sich Bill am Hinterkopf:
"Na ja, eigentlich.eigentlich singe ich. Mein Bruder und ich, wir machen manchmal zusammen Musik mit zwei anderen Freunden."
Jimmys Blick wurde noch begeisterter:
"Dann können wir vielleicht alle zusammen spielen und singen?"
Bill grinste:
"Klar, ich werde meinen Bruder mal fragen. Aber jetzt müssen Mara und ich erst mal weiter arbeiten."
Jimmy nickte, ließ sich giggelnd nach hinten in sein Bett fallen und wirkte ungemein glücklich.
Beim Hinausgehen sagte Mara:
"Das hast du wirklich gut gemacht."
"Ja, aber nur, weil du mir geholfen hast", entgegnete Bill und legte Jimmys Akte wieder auf dem Schwesterntresen ab.
Mara schüttelte den Kopf, ließ sich von Bill die Serumröhrchen reichen und beschriftete sie, um sie anschließend ins Labor bringen zu können:
"Das meine ich nicht", sie hob den Blick und lächelte freundlich. "Du bist wirklich sehr gut mit Jimmy umgegangen. Er ist ein guter Junge, aber es gibt wenige Freuden in seinem Leben. Er kommt aus einem Heim und seit er hier ist, besucht ihn niemand."
"Man, das kann einem ja wirklich den Tag versauen", murmelte Bill mehr zu sich selbst als zu Mara.
"Ich hätte nicht gedacht, dass du so gut mit Kindern umgehen kannst", sagte Mara und steckte die Röhrchen in eine durchsichtige Plastiktüte. Grinsend fügte sie hinzu: "Und dass du singen kannst, hätte ich auch nicht erwartet."
Bills Magen startete eine Achterbahnfahrt quer durch seinen Unterleib. Er erwiderte ihr Grinsen:
"Ich habe viele Talente."
"Ach ja?", schmunzelte sie und wandte sich dann zum Gehen um. "Vielleicht kannst du mir ja doch mal zeigen, was du alles so kannst!"
Ein Zwinkern, dann lief sie schon davon und ließ Bill mit wild hämmerndem Herzen stehen.
"Wie kann man so perfekt sein?", wisperte der junge Student und sah seiner Angebeteten sprachlos hinterher. Das eben . war doch fast ein kleines 'Ja' auf seine Flirtereien gewesen, oder? Das war doch so ähnlich als hätte sie gesagt, dass sie vielleicht doch mal einen Kaffee trinken oder ins Kino gehen konnten, oder? Verdammt, er war nicht mehr klar im Kopf.
Grob schlug eine Hand auf seine rechte Schulter, während ein vertrauter Körper ihn von rechts anrempelte. Am liebsten hätte Bill den Arm, der lässig über seinen Schultern lag, runtergeschupst und sich die Ohren zugehalten, da er genau wusste, dass gleich wieder eine der Neckereien seines Bruders kommen würden.
"Na? Alles fit im Schritt, Bruderherz? Oder hat sie dir doch schon die Eier abgeklemmt?"
Bill schnaubte und drehte sich zu Tom um, der seinen Arm von seiner Schulter rutschen ließ.
"Klappe. Läuft gut. Sie hat gerade schon eine Andeutung gemacht. Trotzdem war die Nummer mit der Blutentnahme echt mies. Ich hab mich voll blamiert, weil ich so nervös war!"
Tom grinste entschuldigend:
"Aber immerhin war es ja für was gut, nicht wahr?"
Bill kniff die Augen zusammen und streckte ihm die Zunge raus.
Zu Bills Leidwesen war Mara in einige längere Behandlungen verwickelt, so dass Bill sie bis zur Mittagspause nicht mehr zu Gesicht bekam. Als er vor seiner verdienten Pause noch das Erbrochene eines Kleinkindes beseitigen sollte, erwischte er Tom und Bell in der Besenkammer. Wortlos griff er nach einem Mopp, rollte die Augen und schloss die Tür wieder.
Es war nicht das erste Mal, dass er den beiden in einem ungelegenen Moment begegnete aber das lag zweifellos daran, dass die beiden einfach nicht die Finger voneinander lassen konnten.
Er lächelte und seufzte unglücklich: vermutlich würde es ihm mit Mara genauso gehen. Es war wie mit einem guten Kuchen: wenn man einmal gekostet hatte, wollte man noch mehr davon.
Unschlüssig stellte er den Mopp in eine Ecke und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten in die Umkleidekabinen, um seinen Mantel zu holen. Da Tom Besseres zu tun hatte, würde er die Mittagspause wohl allein verbringen.
Nachdem er in seine Jacke geschlüpft war, holte er sich noch einen starken Kaffee und trat durch die beschlagenen Glastüren des Krankhauses hinaus in den Innenhof. Für den Moment hatte es aufgehört zu schneien, doch die Wege, die der Hausmeister heute Morgen so engagiert gefegt hatte, waren schon wieder weiß bedeckt.
Er nickte ein paar seiner Kommilitonen zu, die offenbar genauso verrückt waren, ihre Semesterferien mit Arbeiten zu verbringen.
Bill lief einen der gewundenen Wege um ein paar große Tannen herum. Er wusste, dass sich dort ein kleiner Zierteich mit einer Bank befand - hier hatte man immer seine Ruhe. Er zündete sich eine Zigarette an und pustete den weißen Rauch, nebst seinem sichtbaren Atem in die Stille hinaus. Hier draußen war kaum etwas von der wilden Hektik des Krankenhausalltags zu hören. Umschirmt von den hohen Wänden des Krankenhauses zu allen vier Seiten war man zwar nicht vor Blicken geschützt aber immerhin war es ruhig.
Als Bill um die hohen Tannen lief und sein Blick auf die dunkle Holzbank vor dem Zierteich fiel, blieb er überrascht stehen. Sie war besetzt.
Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln, als er sich umdrehen und gehen wollte. Doch plötzlich drehte sich die schlanke Gestalt auf der Bank um. Trotz Kapuze und einem dichten Wollschal, der über ihren Lippen und ihrer Nase hing, hätte er ihr Gesicht unter tausenden erkannt.
"Mara?", fragte Bill leise.
Ihre braunen Augen lächelten:
"Mittagspause?", murmelte sie unter ihrem Schal.
Bill nickte und trat auf sie zu. Bisher hatte er niemals jemanden hier angetroffen - Mara war die erste.
"Alles in Ordnung?", fragte sie, rutschte ein Stück zur Seite und bedeutete ihm, Platz zu nehmen.
Etwas apathisch setzte er sich und nickte abermals:
"Ja, ich.ähm.bin nur überrascht. Sonst sitzt hier niemand. Tom und ich machen hier meistens unsere Pause."
Mara schob sich den Schal von den Lippen und lachte leise:
"Ich sitze auch oft hier, wenn ich meine Schichten mache. Aber da sie in meinem Semester anders angeordnet sind, haben wir uns wahrscheinlich noch nicht gesehen."
"Hmm", machte Bill und trank einen Schluck heißen Kaffee. Sein Herz klopfte hatte entschieden, ihn wieder mit einem Sprint zu quälen. Es schlug so laut, dass Mara es einfach hören musste. "Ich.bin gerne hier. Hier ist es so-"
"Ruhig und friedlich", unterbrach Mara ihn und nickte.
Bill riss die Augen auf - genau das hatte er sagen wollen.
"Ja . Ja das ist es ...", nuschelte er und starrte auf seine Hände. Sie schmerzten, da die Kälte in seine Knochen gekrochen war und immer mehr versuchte, sich in seinem Körper auszubreiten. Aber das war egal - Mara war wichtiger.
Sein Blick wandte sich wieder ab und glitt über die Umgebung. Es war schön hier. Und durch den Schnee war es nicht nur ruhig und friedlich, sondern irgendwie auch romantisch und melancholisch. Was würde er dafür geben, jetzt ihre Hand zu ergreifen und seine Finger zwischen ihre zu schieben, mit dem Wissen, dass ihr Herz ihm gehörte?
Ihr Herz erobern . Ein törichter Wunsch, den er schon so lange versuchte, sich zu erfüllen.
"Mara, ich . also . hättest du Lust heute Abend mit mir, Tom und Bell etwas zu unternehmen? Also ich wüsste jetzt noch nicht was, aber ."
"Nein Bill", unterbrach sie ihn. Sofort sackte er ein wenig in sich zusammen und seufzte enttäuscht.
"Wieso lehnst du immer ab?"
Bill hätte sich am liebsten selbst eine Ohrfeige gegeben. Seine Stimme klang brüchig, beinah so als würde er jeden Moment anfangen zu weinen. Dem war nicht so, dennoch war er enttäuscht, schon wieder eine Abfuhr bekommen zu haben. Er war eben so in der romantischen Landschaft versunken gewesen, dass er die Möglichkeit einer Ablehnung völlig ausgeblendet hatte. Außerdem hatte er sich ihr grade noch mehr verbunden gefühlt, als sonst schon. Sie waren jetzt privat beisammen und nicht weil sie zusammen einen Patienten behandelten oder Arbeitsinformationen austauschen mussten.
"Bill ." Einen Moment hielt Mara inne und seufzte dann, bevor sie weiter sprach. "Du bist wirklich nett und siehst gut aus. Aber wenn es nicht 'klick' macht, dann macht es eben nicht 'klick'. Tut mir leid", sprach sie leise und lächelte ihn entschuldigend an. Bill sah nicht zu ihr, aber er konnte es im Augenwinkel sehen und irgendwie kam er sich in diesem Moment erbärmlich vor. Er liebte sie, ohne dass er sie näher kannte. Nur wenige Sachen wusste er über sie und dennoch hatte sie ihn schon vor Monaten verzaubert. Einfach so - mit ihren Blicken, mit ihrer Art, mit ihrer Stimme.
Er wusste, er wollte sie und bemühte sich jedes Mal, wenn er ihr begegnete, um sie. Er umwarb sie und bekam immer aufs Neue einen Korb. Nie hatte er gefragt wieso.
Jetzt wusste er es und irgendwie schmerzte es nun noch mehr. Aber sie hatte Recht. Wenn es nicht funkte, dann war es eben so. Da konnte man nichts machen. Dann brauchte er sich vermutlich auch eigentlich gar nicht weiter um sie bemühen. Aussehen und Charakter war eben nicht immer alles, auch wenn man dies zu glauben vermochte.
Ein leises Seufzen verließ seine Lippen und die kleinen Wölkchen, die durch seinen Atem entstanden, stiegen gleich schneller auf. Stumm sah er ihnen hinterher und beobachtete, wie sie sich mit Maras vermischten.
Plötzlich stand Mara auf:
"Ich werde mal Jimmys Ergebnisse aus dem Labor holen", sagte sie und lächelte entschuldigend. "Wir sehen uns nachher."
"Sicher", antwortete er matt, ohne sie anzusehen. Die Stille, die er sonst so genossen hatte, kam ihm mit einem Male so schwer vor, dass sie ihn zu erdrücken drohte, als Mara gegangen war.
"Na großartig", murmelte er und hoffte, dass der Tag möglichst schnell umgehen würde.
Widerwillig öffnete Bill die Augen, gähnte ungeniert und streckte sich unter der warmen, weichen Federbettdecke. Der Geruch von frischem Kaffee stieg ihm in die Nase, während er sich langsam aufrichtete und einen Blick auf die Uhr warf. Es war kurz nach sechs und um sieben würde ihre Schicht im Krankenhaus beginnen, zu der Tom und er sich freiwillig gemeldet hatten. Vielmehr war es tatsächlich so, dass Bill Tom dazu überredet hatte, die vielen Schichten kurz vor Weihnachten zu übernehmen, weil er wusste, dass Mara - eine unheimlich attraktive und intelligente Medizinstudentin, zwei Semester über ihm und Tom - ebenfalls die vorweihnachtlichen Schichten freiwillig übernommen hatte. Seit Beginn des Medizinstudiums hatte Bill auf Auge auf sie geworfen, doch bisher hatte sie sich herzlich wenig für ihn interessiert. Die meiste Zeit verbrachte Mara damit, in der Bibliothek zu lernen und freiwillige und ehrenamtliche Arbeiten zu übernehmen. Dieses Semester hatte sie sich für die Schichten auf der Kinderstation gemeldet, die kurz vor Weihnachten stets rar besetzt waren. Um ihr zu zeigen, dass er sich ebenfalls engagierte hatte sich Bill (abgesehen von der Tatsache, dass Weihnachten für ihn ohnehin nie einen besonderen Stellenwert eingenommen hatte) kurzerhand selbst gemeldet und seinen Bruder angefleht, es ihm gleich zu tun. Da Toms Freundin, Bell, eine großartige und mindestens ebenso engagierte Krankenschwester, selbst auf der Kinderstation arbeitete, hatte er sich von Bill breitschlagen lassen, in der Hoffnung, mehr Zeit mit Bell verbringen zu können.
"Stehst du jetzt endlich mal auf oder willst du am ersten Tag zu spät kommen und einen schlechten Eindruck bei Mara hinterlassen?", frage Tom, zog ihm die Decke von den Beinen und reichte ihm einem Becher Kaffee, den Bell, die vermutlich schon unten vor der Haustür in ihrem Auto auf die beiden wartete, vorsorglich mitgebracht hatte. Das tat sie immer, wenn sie gemeinsam eine Frühschicht antraten.
Bill brummte verschlafen, richtete sich schließlich auf und schnupperte an dem Kaffee, der augenblicklich seine Lebensgeister weckte. Eilig stand er auf, hechtete ins Bad und putzte sich mit der einen Hand die Zähne, während er mit der anderen sein struppiges blondes Haar stylte.
"Ich bin gleich fertig", rief er seinem Bruder zu, stolperte zurück in sein Zimmer und schlüpfte in eine Jeans und ein eng anliegendes dunkelgraues T-Shirt. Während er nach seinem dicken Wintermantel griff und gleichzeitig versuchte, in seine Stiefel zu kommen, trank er einen Schluck Kaffee und verbrannte sich prompt die Zunge.
"Warum hast du mich nicht früher geweckt?", schimpfte Bill, als er zusammen mit Tom die Treppe ihres Studentenwohnheims hinunterlief.
"Habe ich", protestierte Tom. "Ich habe es ungefähr hundert Mal versucht, nachdem du deinen Wecker ignoriert und einfach weitergeschlafen hast."
Bill seufzte und öffnete die Haustür. Über die Nacht schien es wohl wieder geschneit zu haben, denn die Straßen und der Großteil der parkenden Autos waren über und über mit dem weißen pulvrigen Schnee bedeckt, der seit Anfang Dezember kein Ende zu nehmen schien.
"Morgen, Bill", flötete Bell, die in eine dicke Jacke gewickelt an ihrem alten schäbigen VW Polo lehnte und sich an ihrem Kaffeebescher wärmte. Unter ihrer Kapuze lugten ihre schönen dunkelblonden Locken hervor und rahmten ihr Gesicht ein, wie das eines Engels.
"Morgen", sagte Bill und drängte sich nach hinten auf die schmale Sitzbank. Bell brauchte dringend ein neues Auto. Aber immerhin hatte sie wenigstens eines. Tom und er waren froh, dass sie ein preiswertes Studentenheim gefunden hatten, dass zumindest in der Nähe des New York Hospitals lag, in der sie ihre praktische Ausbildung genossen. Für einen Wagen blieb allerdings kein Geld. Tom begrüßte seine Freundin, setzte sich auf den Beifahrersitz und drehte sich dann zu Bill um: "Denk daran, ich habe etwas gut bei dir, Brüderchen." "Ja, ja", murmelte Bill, lehnte sich zurück und machte es sich - so es ging - bequem. Er schloss die Augen und ging im Kopf die Möglichkeiten durch, mit denen er Mara beeindrucken konnte.
Viele Möglichkeiten gab es da wohl leider nicht. Er hatte schon einiges ausprobiert und war jedes Mal kläglich gescheitert. Aber er würde nicht einfach so aufgeben. Nachdem sie seine Frage ob sie mit ihm einen Kaffee trinken gehen würde, ausgeschlagen hatte, hatte sie nur seinen Ehrgeiz geweckt. Er würde sich ihr sicher nicht aufdrängen, sodass es ihr womöglich noch unangenehm werden würde, aber er würde sich bemühen, um ihr Interesse zu wecken.
Als sie an dem rötlich-weißen Gebäude ankamen, parkte Bell den Wagen und die drei stiegen aus. Hastig nahm Bill wieder einen Schluck seines heißen Getränks. Er würde sich nachher sicher noch einen Kaffee am Automaten holen. Der eine reichte nicht, zumal Bell wieder einen milden Kaffee geholt hatte. Wann würde sie denn mal verstehen, dass er einen extra-starken brauchte? Nun, letztendlich war er ihr dankbar, dass sie für ihn und Tom überhaupt Kaffee holte. Meist gaben sie ihr ja nicht mal Geld dafür. Arme Studenten - das war wahr.
"Mara, Mara, Mara."
Bill zuckte erschrocken zusammen, als er vor sich hinträumend, aus seinen Gedanken gerissen wurde. Als er bemerkte, dass seine Angebetete nirgends zu sehen war, warf er Tom, der sich mit Bell köstlich darüber amüsierte, einen bösen Blick zu.
"Klappe'", knurrte er und schlürfte wieder an seinem Kaffee.
Einige ihrer Ausbildungsärzte grüßten sie auf dem Weg zur Umkleidekabine. Hier verabschiedete sich auch Bell, die sich schon auf den Weg zur Kinderstation machte, um sich dort im Schwesternzimmer umzuziehen.
"Ins Schwesternzimmer würde ich gerne mal reinschauen", scherzte Bill und öffnete seinen Spind.
"Oh ja", stimmte Tom grinsend zu und zog sich um.
Die Kinderstation unterschied sich nur unwesentlich von den anderen. Zwar hatte man einige bunte Bilder in die langen weiß-grünen, steril anmutenden Gänge gehängt und die Ärzte und Schwestern hatten Teddybären und Blumen auf ihre Kittel genäht, doch es blieb, was es war: eine Station in einem Krankenhaus, in der man alles Erdenkliche dafür tat, dass kranke Kinder schnellstmöglich wieder gesund wurden. Doch das war zweifellos nur die eine Seite - die andere war die, dass es auch einige wenige Kinder gab, die kamen und nicht wieder zurückkehrten, Kinder, die Krankheiten hatten, für die die Medizin noch nicht bereit war, Kinder, die auf Knochenmark oder Organe warteten und letztlich gegen die Zeit verloren.
Auch wenn anfänglich im Studium nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Ausbildung am Krankenbett stattfand, hatte Bill relativ früh gelernt, eine Wand zu errichten, an der all das Leid, der Kummer und die Ausweglosigkeiten abprallten. Anders war ein Leben hier nicht zu bewältigen.
"Guten Morgen", rief eine dickliche, rothaarige Frau mit rosigen Wangen. "Schön, dass Sie beiden hier sind."
"Das ist die Oberschwester", flüsterte Tom, als sie auf die beiden zutrat.
"Ich weiß", zischte Bill leise und deutete verstohlen auf das Namensschild der Oberschwester, das auch ihre Bezeichnung trug, "Ich kann lesen."
"Tatsächlich", sagte Tom und setzte ein überraschtes Gesicht auf.
Bill stieß ihn grinsend in die Seite und rollte die Augen, als just in diesem Moment Mara hinter der Oberschwester auftauchte. Bills Herz tat einen aufgeregten Sprung, als sie sich zu einem kleinen Mädchen hinabbeugte, das aufgeregt an ihrer hellblauen Arbeitskleidung zupfte.
Maras langes braunes Haar war zu einem Zopf gebunden, der ihr elegant über die Schulter fiel. Ihr Körper war schlank aber an den richtigen Stellen weiblich. In ihren dunkelbraunen Augen lag stets eine derart aufrichtige Nettigkeit, dass man nicht umhin kam, sie sympathisch zu finden. Sie hatte volle, hellrote Lippen, auf denen immer ein Lächeln lag.
Bill seufzte schwärmerisch, als Mara dem Mädchen über den Kopf strich und sie zurück in ihr Zimmer schickte.
"Haben Sie mir zugehört, Bill?", unterbrach die Oberschwester seine Ablenkung und verdeckte mit ihren breiten Schultern das schöne Bild, das sich ihm geboten hatte.
Bill räusperte sich:
"Ähm.ja, ich meine nein." Er kratzte sich lachend am Hinterkopf und zwang sich innerlich zur Disziplin - das war immerhin noch ein Krankenhaus.
"Das dachte ich mir", sagte sie und schüttelte verärgert den Kopf. "Ich möchte, dass Sie ins Zimmer 2b gehen. Dort liegt ein Mädchen mit Verbrennungen am Unterarm. Lassen Sie sich von Mara die Cortisoncreme geben und verteilen Sie sie auf den Armen, ja?"
Bill lächelte:
"Klar, kein Problem."
Tom zwinkerte Bill zu und wandte sich sodann wieder der Oberschwester zu, die ihm seine Aufgaben erklärte.
Bill holte tief Luft, straffte die Schultern und setzte ein charmantes Lächeln auf. Dann ging er zu Mara herüber, die grade eine Patienten-Akte überflog.
"Hey, Mara", sagte er.
Sie sah ihn kurz an, lächelte für kaum mehr als zwei, drei Sekunden zur Begrüßung und sah dann wieder in die Akte. Bill räusperte sich, in der Erwartung wieder ihre Aufmerksamkeit zurückzuerlangen und die Nervosität loszuwerden. Abermals sah sie auf - dieses Mal mit fragenden Augen.
"Ich brauche die Cortisoncreme für Zimmer 2b."
Einen Moment runzelte Mara verwirrt die Stirn, lächelte und nickte dann aber wieder.
"Ja, natürlich! Warte mal kurz."
Na sehr gesprächig war sie ja nicht. Enttäuscht ließ Bill die Schultern hängen und seufzte. Fing ja toll an, der Tag. Und ihm war noch immer nichts eingefallen, wie er Mara vielleicht beeindrucken könnte. Höchstens super Umgang mit den Kindern, aber das setzte er bei sich ja sowieso voraus. Er würde niemals böse oder gemein zu einem Kind sein. Im Gegenteil, er mochte die Krümel eigentlich und lächelte beinah automatisch, wenn er die kleinen Wirbelwinde sah.
"Hier! Ein bisschen einreiben, aber nicht zu viel. Die Verbrennungen sind noch recht frisch."
Bill nickte:
"Alles klar.''
Dann verschwand er mit einem letzten Lächeln, welches er Mara zuwarf, den Gang entlang und machte sich auf die Suche nach dem Zimmer.
"Ähm, Bill?"
Sofort blieb Angesprochener stehen und wandte sich mit wild klopfendem Herzen seiner Angebeteten zu. Wie kam das plötzlich? Wieso hatte sie auf einmal doch Interesse an ihm? Und wieso hatte sie ihn denn nicht gleich -
"Du musst in die andere Richtung.''
Bill rümpfte die Nase und kam langsam aus seinem Gedanken-Wirrwarr zurück.
"Was?"
Mara zeigte in die andere Richtung des Flures und lächelte ihn schief an:
"Du musst da entlang. Zimmer 2b ist auf der anderen Seite."
Bill spürte, wie er rot anlief, senkte hastig den Kopf und murmelte:
"Natürlich!" Eilig lief er den Flur hinunter und überflog mit den Augen die Türnummerierungen, bis er auf das entsprechende Zimmer stieß. Er öffnete die Tür und trat ein. Es war ein Vierbett-Zimmer, doch bisher war nur eines der Betten besetzt. Bill wusste, dass sich das bald ändern würde, denn vor Weihnachten gab es regelmäßig kleinere Unfälle beim Schlittenfahren, Einkaufen oder Plätzchenbacken.
"Hallo", sagte er lächelnd und lief auf das Bett zu, als er plötzlich seinen Freund George erkannte, der auf dem Bettende saß und mit dem kleinen, braunhaarigen Mädchen spielte, dessen Unterarme fürchterlich rot, blasig und teilweise gepellt waren.
"George!?", rief Bill und schlug seinem langjährigen Freund auf die Schulter. George hatte vor wenigen Monaten seinen Doktor ins Psychologie gemacht und spezialisierte sich derzeit auf Tiefenpsychologie, die ihn immer am meisten interessiert hatte. Während seines Studiums hatte er mit einer bezaubernd schönen Engländerin zusammengelebt und Georges Glück schien perfekt zu sein. Er hatte sich sogar vorgenommen, ihr einen Heiratsantrag zu machen, als sie ihm offenbart hatte, dass sie schwanger war. Nachdem sie das Kind bekommen und George verlassen hatte, hatten Bill und Tom ihm oft unter die Arme gegriffen, Babysitter gespielt und ihn anderweitig unterstützt. Inzwischen war Georges Tochter fünf, hatte sein herrliches braunes Haar und die Augen ihrer Mutter.
"Onkel Bill", rief Emily begeistert. In ihren großen grünen Augen leuchtete die kindlich naive aber ehrliche Freude eines Mädchens.
Bill setzte sich neben sie aufs Bett, ließ sich vorsichtig von ihr umarmen und blickte George fragend an:
"Was habt ihr denn angestellt?"
George seufzte:
"Plätzchen gebacken", er strich seiner Tochter über den Kopf, "Sie wollte helfen und wollte, als ich eine Minute weggesehen habe, das Blech mit bloßen Händen aus dem Ofen holen wollen. Dabei hat sie sich die Arme verbrannt."
Bill strich über Emilys Kopf:
"Ich frage mich, wie du es immer wieder schaffst, solchen Unfug zu machen." Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass Emily sich verletzt hatte. Vor einigen Monaten hatte sie sich beim Spielen das Handgelenk verstaucht, letztes Jahr sogar das Bein gebrochen.
"Ich wollte Daddy nur helfen", sagte sie und zog eine Schnute.
"Was machst du überhaupt hier?", fragte George und hielt, auf Bills Aufforderung hin, Emilys Arme fest.
"Ehrlich gesagt will ich ein Mädchen beeindrucken", antwortete er mit gesenkter Stimme und schraubte die Creme-Dose auf.
George grinste:
"Ach, die Brünette, die zwei Semester über dir ist?"
Vorsichtig schmierte Bill die Creme mit einem flachen Holzspachtel auf Emilys Arme. Bill wusste, dass die Creme brannte, doch Emily presste tapfer die Lippen aufeinander und gab keinen Laut von sich.
Tapfer hielt die Kleine durch und biss auch beim zweiten Arm die Zähne zusammen. Als Bill den Spatel in den Mülleimer warf, sich die Hände wusch und die Dose zuschraubte, nickte er.
"Ja, die."
"Immer noch?"
Abermals nickte er. Langsam war es ihm peinlich. Er rannte Mara schon ewig hinterher, bemühte sich, umwarb sie mit all seinem Charme und seinen guten Seiten. Bisher leider erfolglos.
"Du armer, treudoofer Depp."
"Ach, lass mich! Du warst doch damals auch nicht besser!", schmollte Bill und brachte George zum Lachen. Emily beobachtete sie beide nur verwirrt, verstand in ihrem zarten Alter noch nicht, was ihr Vater und ihr 'Onkel' meinten.
"Na gut . Ich komme nachher vielleicht noch mal her. Aber jetzt muss ich erst mal weiter arbeiten. Meine Schicht hat eben erst begonnen. Kommt nicht gut, wenn ich da fürs Eincremen gleich ewig weg bin!"
Tom zwinkerte Bell zu, die ein paar Meter von ihm entfernt stand und mit dem Stationsarzt sprach. Sie lächelte, zwinkerte zurück und wandte sich dann wieder an den Arzt.
"Haben Sie nichts zu tun?", brummte die Oberschwester und watschelte grimmig blickend an ihm vorbei.
Tom verzog das Gesicht, warf ihr einen bösen Blick hinterher und seufzte.
"Sie ist immer so", sagte plötzlich jemand hinter ihm.
Tom drehte sich um und blickte in Maras hübsches Gesicht:
"Tatsächlich?", fragte er. "Dann macht es bestimmt keinen Spaß mit ihr zu arbeiten."
Mara zuckte die Schultern, lehnte sich über den Schwesterntresen und griff nach einer weiteren Patienten-Akte:
"Sie macht ihre Arbeit gut und wenn sie mit den Kindern spricht, ist sie sehr herzlich."
"Mein Bruder übrigens auch. Er liebt Kinder", sagte Tom und hatte entschieden, die Chance zu nutzen, für Bill zu werben. Womöglich brauchte er einfach etwas Unterstützung von seinem erfahrenen, charmanten und schier unwiderstehlichem Bruder.
"Gut so, sonst wäre er hier falsch", gab sie wenig interessiert zurück und drückte ihm die Akte in die Hand. "In Zimmer 12d liegt ein Junge, bei dem wir stündlich Fieber messen. Es wäre gut, wenn du das während deiner Schicht erledigen könntest. Und in Zimmer 5a müssen wir Blut abnehmen. Habt ihr das schon geübt und seid zugelassen?"
"Klar", sagte Tom, "aber im Blut abnehmen ist Bill besser." Das war eine dreiste Lüge, aber vielleicht sorgte sie dafür, dass sich Bill und Mara irgendwie näher kamen. Im Moment sah es tatsächlich nicht besonders rosig aus. Wenn Bill sie bis Weihnachten nicht rumgekriegt hatte, würde er wahrscheinlich eine Krise kriegen und ihm über die Feiertage beide Ohren abkauen und sich mit Glühwein betrinken.
"Gut, dann sag ihm doch Bescheid", begann Mara, doch Tom unterbrach sie mit einem charmanten Kopfschütteln.
"Könntest du das erledigen? Ich will mich gleich ums Fiebermessen kümmern."
Mara lächelte und warf ihren braunen Zopf über die Schultern:
"Klar, kein Problem." Im geschäftigen Medizinerschritt rauschte sie von dannen. Tom kam nicht umhin, ihr hinterherzusehen und grinste, als seine Augen über ihr wohlgeformtes Hinterteil glitten. Sein Bruder hatte wirklich Geschmack.
Als er sich umdrehte, erntete er einen bösen Blick von Bell, die mit zusammengekniffenen Augen zu ihm herüberschielte.
Entschuldigend lächelte er und ging seiner Arbeit nach. In der Mittagspause würde er Bell in eine der Abstellkammern entführen und sich ordnungsgemäß entschuldigen. Grinsend rieb er sich die Hände.
"Bill?"
Sofort sah der Student freudig auf, als er den Gang entlang lief und Mara ihm entgegen kam.
"Kommst du bitte? Du musst bitte Blut abnehmen. Gleich hier."
Mara zeigte auf eine Tür und Bill blieb beinah das Herz stehen, als er 'Blut abnehmen' hörte.
"Also . also weißt du . Ich bin da nicht so gut. Ich hab schon zig Mal geübt, aber ich kann mich einfach noch nicht dran gewöhnen, da die Nadel . und so. Also ich will wirklich nicht feige klingen und ich kann's ja, aber manchmal tut es noch ziemlich weh und bei einem kleinen Kind .", stammelte Bill nervös. Er wollte nicht lügen und nachher womöglich ein weinendes Kind anhängen haben, nur weil er zu dumm zum Blutentnehmen war.
Mara seufzte und sah ihn enttäuscht, die Schultern hängen lassend, an.
"Dein Bruder sagte, du kannst das und ich habe eigentlich . Ach was soll's. Komm, wir machen das zusammen. Bei einem Kind ist es ja wirklich ein klein wenig verzwickter. Ich zeige es dir, okay? Du brauchst eigentlich nur genug Feingefühl und darfst die Kanüle nicht so weit vordringen lassen. Komm!"
Auffordernd winkte die Brünette den etwas jüngeren Studenten mit sich und lächelte ihn aufmunternd an. Seine Unsicherheit war ihm wohl anzusehen.
Als sie ins Zimmer traten, blickte ihnen einen hübscher, blonder Junge entgegen, der wohl kaum älter als acht oder neun sein konnte.
"Mara", rief er begeistert, lief auf sie zu und umarmte sie stürmisch.
"Hallo Jimmy", sagte sie, drückte ihn lächelnd und deutete sodann auf Bill. "Ich würde dir gern jemanden vorstellen."
Aufmerksam blickte Jimmy Bill an. Er hatte helle, blaue Augen. Seine Haut war ungewöhnlich hell, fast schon fahl und unter seinen Lidern lagen dunkle Schatten.
"Jimmy, das ist Bill. Wir kennen uns aus dem Studium."
"Bist du auch ein Doktor?", fragte Jimmy und reichte Bill höflich die Hand.
Er schüttelte lächelnd den Kopf und beugte sich zu ihm herunter:
"Noch nicht, aber ich hoffe, bald einer zu sein."
Der kleine Junge zog an seiner Hand und fragte:
"Darf ich trotzdem Doktor zu dir sagen?"
Bill war gerührt. Er kannte diesen Jungen nicht und doch brachte er ihm die gleiche Herzlichkeit entgegen, die er so an Mara bewunderte.
"Na klar", sagte er und wuschelte ihm durchs Haar, "aber nur, wenn wir alleine sind. Wenn einer der richtigen Doktoren kommt, dann findet der das sicher nicht witzig."
Jimmy nickte und sah dann fragend zu Mara:
"Was machen wir heute?"
"Bill wird bei dir Blut abnehmen, ist das für dich in Ordnung, Jimmy?", erklärte Mara. Als er nickte, deutete sie auf sein Bett. "Dann setz' dich schon mal hin. Bill und ich bereiten alles vor, ja?"
Mara wandte sich an Bill und deutete auf die schmalen Wandschränke am anderen Ende des Zimmers, in dem Kanülen, Röhrchen, Desinfektion, Verbände und Pflaster aufbewahrt wurden.
"Wir brauchen zwei Serumröhrchen und eine Butterflykanüle", erklärte sie ihm und reichte ihm eine der silbernen Nierenschalen, in die er beides legen sollte.
Bill nickte, bereitete alles vor und schlüpfte in ein Paar weiße Handschuhe.
"Also gut, Jimmy", sagte er und setzte sich neben ihn aufs Bett. "Bist du bereit?" Im Grunde war Bill selbst nicht bereit, aber er gab sich große Mühe, sich nichts anmerken zu lassen.
Jimmy nickte und streckte den rechten Arm aus:
"Mara und die anderen Schwestern machen das oft."
"Tatsächlich?", fragte Bill. Vorsichtig band er den blauen Stau-Gurt um Jimmys schmalen Oberarm und zog ihn fest. "Jetzt eine Faust machen." Er lächelte und versuchte, seinem nervösen, hektischen Herzschlag unter Kontrolle zu kriegen.
"Ich bin krank, Dr. Bill", sagte Jimmy, "Das weiß ich. Aber die anderen sagen, dass ich vielleicht wieder gesund werden kann, wenn man jemanden für mich findet, der mir Knochenmark geben kann. Aber das ist sehr schwer und deswegen muss ich warten."
Bill schloss für einen Moment die Augen. Der Junge hatte Blutkrebs. Seine Augen suchten die von Mara, doch sie mied seinen Blick, als sie leise sagte:
"Akute myeloische Leukämie. Die anderen Therapieansätze sind bisher nicht angeschlagen und wir suchen schon eine geraume Weile einen passenden Spender. Leider hatten wir bisher kein Glück."
"So wie du gucken alle, Dr. Bill." Jimmy hatte seine linke Hand auf Bills Unterarm gelegt. "Aber du musst nicht traurig sein."
Bill räusperte sich, zwang sich zu einem Lächeln und sagte:
"Ich bin sicher, dass wir jemanden finden, der dir helfen kann, Jimmy." Er griff nach der Desinfektionsflasche, sprühte auf Jimmys rechte Armbeuge und wischte mit einem Tupfer kurz darüber.
Mara rutschte dichter an ihn heran:
"Bereit?"
"Nein", sagte Bill ehrlich, lächelte schief und bedeutete ihr, fortzufahren.
"Also gut", begann sie, "Jimmy, du musst jetzt einmal ganz tief Luft holen, so tief du kannst, ja?"
Jimmy nickte. Just in dem Moment, in dem der Kleine einatmete, legte Mara ihre Hände um Bills und schob sie mit einem sanften Ruck nach vorn. Mühelos durchdrang die Kanüle die Hautschichten und traf die Vene. Bill Herz verfiel in einen raschen Sprint. Wie oft hatte er sich vorgestellt, wie sich Maras Hände anfühlen würden. Jetzt berührte sie ihn, doch durch die Gummihandschuhe spürte er nur die Wärme, die von ihrer Haut ausging. Sie lächelte sanft und in ihren braunen Augen lag diese unverhoffte Zärtlichkeit.
"Hat gar nicht wehgetan", kicherte Jimmy.
"Und jetzt anziehen und testen, ob die Kanüle weit genug in der Vene liegt", flüsterte Mara. Sie saß so dicht neben ihm, dass er ihren Atem an seinem Hals spürte. Noch immer lagen ihre Hände an Ort und Stelle und machten es Bill nahezu unmöglich, sich zu konzentrieren.
"Ja.ja, ich weiß, wie das geht", sagte er stockend. Seine Stimme klang trocken und nervös. Er musste sich endlich wieder unter Kontrolle bringen - so würde er sie jedenfalls nicht beeindrucken.
Nachdem er die zwei Serumröhrchen gefüllt und Jimmy ein Pflaster auf den Arm geklebt hatte, legte Bill dem kleinen die Hand auf die Schulter:
"Du bist wirklich mutig, Jimmy."
"Ich weiß", sagte er und grinste schelmenhaft. "Bist du jetzt öfter hier, Dr. Bill?"
"Bis Weihnachten auf jeden Fall", antwortete er. Sein Blick fiel auf eine Kindergitarre, die neben Jimmys Bett an der Wand lehnte. "Spielst du?"
Der Junge nickte:
"Ein bisschen. Ich kann ein paar Weihnachtslieder spielen."
"Mein Bruder spielt auch Gitarre", sagte Bill grinsend. "Vielleicht könnt ihr ja mal zusammen spielen. Er arbeitet auch hier auf der Station."
In Jimmys Augen glomm ein Leuchten auf:
"Das wäre cool", rief er begeistert. "Und du, Dr. Bill? Spielst du auch ein Instrument?"
Verlegen kratzte sich Bill am Hinterkopf:
"Na ja, eigentlich.eigentlich singe ich. Mein Bruder und ich, wir machen manchmal zusammen Musik mit zwei anderen Freunden."
Jimmys Blick wurde noch begeisterter:
"Dann können wir vielleicht alle zusammen spielen und singen?"
Bill grinste:
"Klar, ich werde meinen Bruder mal fragen. Aber jetzt müssen Mara und ich erst mal weiter arbeiten."
Jimmy nickte, ließ sich giggelnd nach hinten in sein Bett fallen und wirkte ungemein glücklich.
Beim Hinausgehen sagte Mara:
"Das hast du wirklich gut gemacht."
"Ja, aber nur, weil du mir geholfen hast", entgegnete Bill und legte Jimmys Akte wieder auf dem Schwesterntresen ab.
Mara schüttelte den Kopf, ließ sich von Bill die Serumröhrchen reichen und beschriftete sie, um sie anschließend ins Labor bringen zu können:
"Das meine ich nicht", sie hob den Blick und lächelte freundlich. "Du bist wirklich sehr gut mit Jimmy umgegangen. Er ist ein guter Junge, aber es gibt wenige Freuden in seinem Leben. Er kommt aus einem Heim und seit er hier ist, besucht ihn niemand."
"Man, das kann einem ja wirklich den Tag versauen", murmelte Bill mehr zu sich selbst als zu Mara.
"Ich hätte nicht gedacht, dass du so gut mit Kindern umgehen kannst", sagte Mara und steckte die Röhrchen in eine durchsichtige Plastiktüte. Grinsend fügte sie hinzu: "Und dass du singen kannst, hätte ich auch nicht erwartet."
Bills Magen startete eine Achterbahnfahrt quer durch seinen Unterleib. Er erwiderte ihr Grinsen:
"Ich habe viele Talente."
"Ach ja?", schmunzelte sie und wandte sich dann zum Gehen um. "Vielleicht kannst du mir ja doch mal zeigen, was du alles so kannst!"
Ein Zwinkern, dann lief sie schon davon und ließ Bill mit wild hämmerndem Herzen stehen.
"Wie kann man so perfekt sein?", wisperte der junge Student und sah seiner Angebeteten sprachlos hinterher. Das eben . war doch fast ein kleines 'Ja' auf seine Flirtereien gewesen, oder? Das war doch so ähnlich als hätte sie gesagt, dass sie vielleicht doch mal einen Kaffee trinken oder ins Kino gehen konnten, oder? Verdammt, er war nicht mehr klar im Kopf.
Grob schlug eine Hand auf seine rechte Schulter, während ein vertrauter Körper ihn von rechts anrempelte. Am liebsten hätte Bill den Arm, der lässig über seinen Schultern lag, runtergeschupst und sich die Ohren zugehalten, da er genau wusste, dass gleich wieder eine der Neckereien seines Bruders kommen würden.
"Na? Alles fit im Schritt, Bruderherz? Oder hat sie dir doch schon die Eier abgeklemmt?"
Bill schnaubte und drehte sich zu Tom um, der seinen Arm von seiner Schulter rutschen ließ.
"Klappe. Läuft gut. Sie hat gerade schon eine Andeutung gemacht. Trotzdem war die Nummer mit der Blutentnahme echt mies. Ich hab mich voll blamiert, weil ich so nervös war!"
Tom grinste entschuldigend:
"Aber immerhin war es ja für was gut, nicht wahr?"
Bill kniff die Augen zusammen und streckte ihm die Zunge raus.
Zu Bills Leidwesen war Mara in einige längere Behandlungen verwickelt, so dass Bill sie bis zur Mittagspause nicht mehr zu Gesicht bekam. Als er vor seiner verdienten Pause noch das Erbrochene eines Kleinkindes beseitigen sollte, erwischte er Tom und Bell in der Besenkammer. Wortlos griff er nach einem Mopp, rollte die Augen und schloss die Tür wieder.
Es war nicht das erste Mal, dass er den beiden in einem ungelegenen Moment begegnete aber das lag zweifellos daran, dass die beiden einfach nicht die Finger voneinander lassen konnten.
Er lächelte und seufzte unglücklich: vermutlich würde es ihm mit Mara genauso gehen. Es war wie mit einem guten Kuchen: wenn man einmal gekostet hatte, wollte man noch mehr davon.
Unschlüssig stellte er den Mopp in eine Ecke und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten in die Umkleidekabinen, um seinen Mantel zu holen. Da Tom Besseres zu tun hatte, würde er die Mittagspause wohl allein verbringen.
Nachdem er in seine Jacke geschlüpft war, holte er sich noch einen starken Kaffee und trat durch die beschlagenen Glastüren des Krankhauses hinaus in den Innenhof. Für den Moment hatte es aufgehört zu schneien, doch die Wege, die der Hausmeister heute Morgen so engagiert gefegt hatte, waren schon wieder weiß bedeckt.
Er nickte ein paar seiner Kommilitonen zu, die offenbar genauso verrückt waren, ihre Semesterferien mit Arbeiten zu verbringen.
Bill lief einen der gewundenen Wege um ein paar große Tannen herum. Er wusste, dass sich dort ein kleiner Zierteich mit einer Bank befand - hier hatte man immer seine Ruhe. Er zündete sich eine Zigarette an und pustete den weißen Rauch, nebst seinem sichtbaren Atem in die Stille hinaus. Hier draußen war kaum etwas von der wilden Hektik des Krankenhausalltags zu hören. Umschirmt von den hohen Wänden des Krankenhauses zu allen vier Seiten war man zwar nicht vor Blicken geschützt aber immerhin war es ruhig.
Als Bill um die hohen Tannen lief und sein Blick auf die dunkle Holzbank vor dem Zierteich fiel, blieb er überrascht stehen. Sie war besetzt.
Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln, als er sich umdrehen und gehen wollte. Doch plötzlich drehte sich die schlanke Gestalt auf der Bank um. Trotz Kapuze und einem dichten Wollschal, der über ihren Lippen und ihrer Nase hing, hätte er ihr Gesicht unter tausenden erkannt.
"Mara?", fragte Bill leise.
Ihre braunen Augen lächelten:
"Mittagspause?", murmelte sie unter ihrem Schal.
Bill nickte und trat auf sie zu. Bisher hatte er niemals jemanden hier angetroffen - Mara war die erste.
"Alles in Ordnung?", fragte sie, rutschte ein Stück zur Seite und bedeutete ihm, Platz zu nehmen.
Etwas apathisch setzte er sich und nickte abermals:
"Ja, ich.ähm.bin nur überrascht. Sonst sitzt hier niemand. Tom und ich machen hier meistens unsere Pause."
Mara schob sich den Schal von den Lippen und lachte leise:
"Ich sitze auch oft hier, wenn ich meine Schichten mache. Aber da sie in meinem Semester anders angeordnet sind, haben wir uns wahrscheinlich noch nicht gesehen."
"Hmm", machte Bill und trank einen Schluck heißen Kaffee. Sein Herz klopfte hatte entschieden, ihn wieder mit einem Sprint zu quälen. Es schlug so laut, dass Mara es einfach hören musste. "Ich.bin gerne hier. Hier ist es so-"
"Ruhig und friedlich", unterbrach Mara ihn und nickte.
Bill riss die Augen auf - genau das hatte er sagen wollen.
"Ja . Ja das ist es ...", nuschelte er und starrte auf seine Hände. Sie schmerzten, da die Kälte in seine Knochen gekrochen war und immer mehr versuchte, sich in seinem Körper auszubreiten. Aber das war egal - Mara war wichtiger.
Sein Blick wandte sich wieder ab und glitt über die Umgebung. Es war schön hier. Und durch den Schnee war es nicht nur ruhig und friedlich, sondern irgendwie auch romantisch und melancholisch. Was würde er dafür geben, jetzt ihre Hand zu ergreifen und seine Finger zwischen ihre zu schieben, mit dem Wissen, dass ihr Herz ihm gehörte?
Ihr Herz erobern . Ein törichter Wunsch, den er schon so lange versuchte, sich zu erfüllen.
"Mara, ich . also . hättest du Lust heute Abend mit mir, Tom und Bell etwas zu unternehmen? Also ich wüsste jetzt noch nicht was, aber ."
"Nein Bill", unterbrach sie ihn. Sofort sackte er ein wenig in sich zusammen und seufzte enttäuscht.
"Wieso lehnst du immer ab?"
Bill hätte sich am liebsten selbst eine Ohrfeige gegeben. Seine Stimme klang brüchig, beinah so als würde er jeden Moment anfangen zu weinen. Dem war nicht so, dennoch war er enttäuscht, schon wieder eine Abfuhr bekommen zu haben. Er war eben so in der romantischen Landschaft versunken gewesen, dass er die Möglichkeit einer Ablehnung völlig ausgeblendet hatte. Außerdem hatte er sich ihr grade noch mehr verbunden gefühlt, als sonst schon. Sie waren jetzt privat beisammen und nicht weil sie zusammen einen Patienten behandelten oder Arbeitsinformationen austauschen mussten.
"Bill ." Einen Moment hielt Mara inne und seufzte dann, bevor sie weiter sprach. "Du bist wirklich nett und siehst gut aus. Aber wenn es nicht 'klick' macht, dann macht es eben nicht 'klick'. Tut mir leid", sprach sie leise und lächelte ihn entschuldigend an. Bill sah nicht zu ihr, aber er konnte es im Augenwinkel sehen und irgendwie kam er sich in diesem Moment erbärmlich vor. Er liebte sie, ohne dass er sie näher kannte. Nur wenige Sachen wusste er über sie und dennoch hatte sie ihn schon vor Monaten verzaubert. Einfach so - mit ihren Blicken, mit ihrer Art, mit ihrer Stimme.
Er wusste, er wollte sie und bemühte sich jedes Mal, wenn er ihr begegnete, um sie. Er umwarb sie und bekam immer aufs Neue einen Korb. Nie hatte er gefragt wieso.
Jetzt wusste er es und irgendwie schmerzte es nun noch mehr. Aber sie hatte Recht. Wenn es nicht funkte, dann war es eben so. Da konnte man nichts machen. Dann brauchte er sich vermutlich auch eigentlich gar nicht weiter um sie bemühen. Aussehen und Charakter war eben nicht immer alles, auch wenn man dies zu glauben vermochte.
Ein leises Seufzen verließ seine Lippen und die kleinen Wölkchen, die durch seinen Atem entstanden, stiegen gleich schneller auf. Stumm sah er ihnen hinterher und beobachtete, wie sie sich mit Maras vermischten.
Plötzlich stand Mara auf:
"Ich werde mal Jimmys Ergebnisse aus dem Labor holen", sagte sie und lächelte entschuldigend. "Wir sehen uns nachher."
"Sicher", antwortete er matt, ohne sie anzusehen. Die Stille, die er sonst so genossen hatte, kam ihm mit einem Male so schwer vor, dass sie ihn zu erdrücken drohte, als Mara gegangen war.
"Na großartig", murmelte er und hoffte, dass der Tag möglichst schnell umgehen würde.
Zitat des Tages
"Du Tom, du warst das.. .du bist nackig auf der Terasse rumgelaufen und hast die Hotelzimmer danach abgesucht, das warst immer noch du..."
"Du Tom, du warst das.. .du bist nackig auf der Terasse rumgelaufen und hast die Hotelzimmer danach abgesucht, das warst immer noch du..."
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Das Copyright von der FanFiction liegt bei der Melo &' Diana von TH-Wonderland Team und den ganzen Team von TH-Wonderland. Hier kommt ihr zum Adventskalender Türchen Nummer 3.
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